Was macht eigentlich Peter? Pete Doherty im Fluxbau

von Daniel Penk


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Wenn Pete Doherty in der Stadt ist, ist es wie bei Elvis. Jeder hat ihn plötzlich irgendwo gesehen. Am Kotti, im Supermarkt, im Bierbaum 3 und auf der After. Die abstrusesten Sichtungen berichten sogar vom tadellosen Gesundheitszustand eines quitschfidelen Bohemians.

Am Donnerstag war er also im Fluxbau. So ganz offiziell. Ein Mitternachtskonzert zusammen mit Gitarrist Mik Whitnall von seiner Band Babyshambles. Die semi-charmante Spreelocation fasst 250 Menschen und wer sich nicht bereits um 21 Uhr im Hinterhof zum obligatorischen „Anstehen und Warten auf Pete“ versammelte, hatte schlechte Karten. Drinnen wurde man dann erstmal mit verstaubten Rockschinken und Indie-Klassikern bespielt, bevor man merkt: „Moment, und jetzt muss ich noch 3 Stunden warten?!“. Eine Tatsache, die unter den bewollmützten Clubkids und kunstpelztragenden Fashionbloggern, bei stetig steigender Raumtemperatur, doch für Verwirrung sorgt. Aber Mitternachtskonzert ist Mitternachtskonzert. Während die ergebensten Doherty-Jünger bereits kurz nach dem Einlass, ihr Erste-Reihe-Privileg durch eine Sitzblockade kurz vor der Stage deutlich machen, wandelt der Rest des Publikums eher ziellos durch den Raum und übt sich in szenetypischen Übersprungshandlungen. Trinken, Drogen nehmen, Quizduell.

Kurz nach 22.30 Uhr sind dann die ersten unbeholfenen Klänge einer Gitarre von der Bühne zu vernehmen, und schrecken mich von der Bar auf. Kam er wirklich viel zu früh und konnte dafür aber nicht mal mehr zwei Akkorde fehlerfrei runterzupfen? Dem war nicht so. Da steht Laura Cherrygroove, ihreszeichens passionierte Shit Shop Verkäuferin und wie Sybille Weischenberg sagen würde; It-Girl. Das Ganze ist nach wenigen Minuten vorbei und wirkte auf mich wie ein Soundcheck. Ich hoffe das wirklich. Welches dunkle Geheimnis sie und den vielleicht letzten Rockstar unserer Zeit verbindet, lässt sich nur erahnen.

Um kurz vor 1, als die Luft im Fluxbau dünner wird als die Musikauswahl des Indie-DJs, kommen Pete und Mik endlich auf die Bühne. Auf einmal ist alles gut. Er ist da und wirkt neben seinem angeschossenen Bandkollegen wie ein unausgeschlafener Internatsschüler nach der Fachschaftsparty. Man hatte schlimmeres von Doherty erwartet, das liegt aber vor Allem an Mik, der sich auch bei „The Walking Dead“ hervorragend machen würde. Die Beiden brauchen ca. 5 Minuten um klarzukommen und Pete läuft erstmal in einen Scheinwerfer rein. Dann legt sich aber eine Atmosphäre in den stickigen Raum, die ihn von fast allen Künstlern der Jetztzeit unterscheidet. Wahrlich taumelnd und zerissen schön. Doherty verliert sich dabei nicht in Melancholie und Weltschmerz, sondern hat stets das große Bild vor Augen. Time for Heroes, Delivery, Arcady. Unwirklich wie durch Milchglas vorgetragende Songs. Sobald er in Pausen gezwungen ist mit dem Publikum zu interagieren, merkt man wie seine Konzentration schwindet, er unsicher wird, angreifbar ist. Zwischenrufe irritieren ihn, er verliert sich mehrmals. Ich habe das Gefühl, dass er das hier nicht mehr lange aushält. Wenn er spielt, ist er woanders. In diesen Minuten kehrt er immer wieder zu sich zurück. Pete Doherty ist ständig auf der Flucht vor seinem eigenen Kult.
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Um 2 Uhr endet das Konzert mit dem Babyshambles Klassiker „Down in Albion“. Die Textpassage mit der Aufzählung englischer Vororte, versucht er diesmal mit deutschen Städten zu singen. Er schafft genau eine Stadt. Leipzig. Pete Doherty lebt in seiner Welt und wenn er sie verlassen will oder gezwungen wird es zu tun, kapituliert er. Das Publikum, das sich auf seine Welt einlässt, erlebt einen guten Abend. Einer der nur gekommen ist, um ihn zu provozieren, schafft es am Ende doch noch zu seinem großen Auftritt. Doherty stürzt sich mit seiner Gitarre bewaffnet, als wolle er ein Land überfallen, ins Publikum und deutet an ihn zu verprügeln. Auch der stille, finstere Mik findet dass, der Typ ein „Asshole“ sei. So endet das hier also doch noch im prophezeihten Dilemma. Als das Licht angeht, wird darüber diskutiert, ob wir nun einen großen Künstler erlebt haben oder einer verlorenen Seele beim Sterben zusehen. Die Wahrheit enthält beide Seiten. Gin in Teacups.

Fotos: Palast Neukölln

Daniel Penk

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