Splash 2013 – Ordinary People

von Daniel Penk


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Seit 2 Stunden schreit der Typ den Zeltplatz zusammen und seine Stimme hat bereits den gebetsartigen Duktus angenommen, den man sonst nur von zweifelhaften Wurstverkäufern auf dem Hamburger Fischmarkt kennt . “Alle aufstehen, alle Party machen!” lautet die Drohung, die mich nicht schlafen lässt aber irgendwie auch sonst keinen zu stören scheint. Das Schweizer Pärchen, das sein Zelt direkt neben meine beschauliche Ein-Mann-Unterkunft platziert hat, unterhält sich in unverständlichem Deppen-Dialekt komplett unbeeindruckt über irgendwelchen Kram. Um pennen zu können, versuche ich den Kauderwelsch zu dechefrieren. So wie Schafe zählen. Es geht um Rap. Wir sind hier auf dem Splash Festival und obwohl die Beiden so aussehen, als würden sie sich leidenschaftlich gerne gegenseitig besoffen die Haare schneiden, sind sie wohl glücklich. Mir ist zudem noch kalt. Die erste Nacht hätte also besser verlaufen können.

Dabei hat der Tag gut begonnen, denn als ich das immer wieder imposante Ferropolis Gelände betrat, konnte ich mit Nate 57 direkt einen meiner Lieblingsacts sehen. Der Hamburger hatte die Crowd am späten Nachmittag schon voll im Griff. Blaulicht, das ist St.Pauli. Allerdings trägt es schon eine Ironie in sich, wenn tausende Kids Textzeilen wie “Hartz 4 ist viel zu wenig Geld” mitrappen, denn immerhin kostet die Nabelschau der deutschen Hip-Hop Welt 110 Euro für 3 Tage. Danach ging’s zu “4Tune”, einer Kombo, die durch den Internetrapcontest VBT bekannt geworden ist und genauso klang. Für einen verschwindenden Moment habe ich mir MC Rene zurück gewünscht, der mit Megaphon durch die Menge rennt und den Jungs mal die Leviten liest. Schnell wieder weg da.

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Auf dem Weg in den Pressebereich wird man zwangsläufig durch die “Lesebühne” geführt. Der Host Marcus Staiger sitzt da und lässt sich selbst interviewen, als ich komme. Staiger ist so etwas wie der Anchorman von Deutschrap und hat zu allem eine Meinung. Hier interessieren sich gerade ca. 30 Leute dafür und ab und zu mustert er mit kritischem Blick zufällige Vorbeigeher wie mich. Ich fühle mich ertappt und tatsächlich setze ich mich auf dem Rückweg auf einen der Liegestühle und erfahre sein Diätgeheimnis. Kein Teig! Nicht weil Teig fett macht, sondern weil man, wenn man auf Teig verzichtet, einfach viel weniger isst. Danke, Staiger.

Next Stop Iggy Azelea, oder besser gesagt, der Arsch von Iggy Azela und das nehme ich mal vorweg: Highlight! Miami Ghetto Bass meets crazy Crackbitch. Ich habe Iggys Arsch tatsächlich häufiger gesehen, als ihr Gesicht und wenn da noch Lowrider auf die Bühne gefahren wären, hätte mich das nicht überrascht. Es war dieses zwiegespaltene Gefühl irgendwo zwischen Heiratsantrag und einen Zehner an die Leggins stecken. Iggy ist einfach eine korrekte Olle und ich wünsche ihr viel Erfolg auf ihrem weiteren Lebensweg im Game.
Danach Leerlauf und ich frage mich, was das für Menschen sind, die sich bei 30 Grad im Schatten beim “Dampfschwein” anstellen. Es läuft da auf jeden Fall.

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Mein Kinderzimmer Hero Dendemann um 20.30 Uhr auf der Mainstage. Pflicht. Die Show ist erschreckend lame und selbst die Gastauftritte von Samy Deluxe und Eisfeldt reißen’s nicht raus. Vielleicht offenbart sich gerade hier das Dilemma. Jan Delay ist ein massenkompatibler, fucking Popstar geworden und Samy ein Penner. Herr Sorge. I don’t get it. Das alte Hamburg City ist vor allem eines: alt.

Der letzte Auftritt des Abends gehört Marteria und der beweist mal eben wie man Hip Hop 2013 inszeniert. Ferropolis versinkt im grünen Rauch und auch wenn er in seinem roten Jacket und der Stoffhose an einen Internatsschüler mit Segelschein erinnert, liefert Marten Laciny den Festivalmoment des Freitags. Green Berlin. Green Splash.

Außer dem Schreier, beherbergt der VIP Zeltplatz eigentlich eine friedliche, entspannte Crowd. Das merke ich extrem, als ich mich am Samstag zum ersten Mal auf den “normalen” Zeltplatz begebe, wo eine Freundin ihr Lager aufgeschlagen hat. Hier stehen Typen mit George Foreman Grill zwischen Müllbergen und ausgelaufener Scheiße aus Dixie-Klos. Viele Zelte sind mit grotesk schlechten Graffitis angemalt und die Bierhelmdichte stellt jede Tschechien-Klassenfahrt in den Schatten. Wie lange sind die schon hier? 2 Wochen?

Gestern kam direkt ein dicker Kerl zu mir, der sich als Hausmeister ausgab und die klare Regel aufstelllte: Müll in die Tüte. Das fand ich schon ein bisschen spiessig als Begrüßung, aber es stellte sich heraus, dass Morti ein leidenschaftlicher Bierpong-Spieler und netter Dude ist. Der wäre hier wohl in Ohmacht gefallen.

Das Festival-Gelände sieht mich erst gegen 20 Uhr wieder. Tyler und Asap spielen eine solide Show ohne Zugaben. Hello Germany, Goodbye. Erst mit dem Auftritt von Casper, wer hätte das gedacht, habe ich meinen emotionalsten Splashmoment: Wie aus dem Nichts erscheint der Boss und watschelt aufgepumpt wie ein Medizinball über die Mainstage. Casper feat. Kollegah. Mittelfinger hoch. Gute Nacht.

Den Sonntag verbringe ich leicht angeschlagen zwischen KRS One (geil), Blumentopf (wie immer) und Curse (dachte der hätte aufgehört?!). Um 22 Uhr dann der große Soulman aus den USA. Wenn man 3 Tage lang mit Rap beschallt wird, kann John Legend eine Insel sein. Musik. Sehr gut. Sollte der Zeltplatz nicht mittlerweile in einem Flammenmeer aus Müll und Scheiße aufgegangen sein, würde ich das Splash 2013 als ein durchaus gelungenes Festival bezeichnen. We’re all ordinary People.

D.P.

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Daniel Penk

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