Sounds von Uwe Krass

von Till Kolter


Eigentlich wollte ich schon längst das Handtuch werfen. Täglich landen unzählige beschissene Promos in schlechter Qualität in unserem Postfach. Promoter und Promösen verstopfen unser Postfach mit Müll und wieder Müll. “Ey, du hast meine mp3 zweimal heruntergeladen. Will nur sicher gehen, dass du das System nicht missbrauchst.” – “Wann kommt eigentlich die Rezension für das neue Album von Blibla, das ich dir letzte Woche geschickt habe?” – “Und nein, ich muss dir verdammtnochmal kein Belegexemplar schicken, du kannst ja selber mal schauen, ob ich das neue Album von deinem Artist rezensiert habe.”
Zudem scheint auch der letzte Nachwuchsproduzent aus Hinterfötzlingen inzwischen entdeckt zu haben, dass sich Deepchords und Tech-House Disco Vocals ganz gut verkaufen lassen. Erst wenn der letzte Fisch gefangen und der letzte Baum gerodet ist, werdet ihr feststellen, dass euch bei schlechter Musik keiner abgeht. Also werde ich in Zukunft wieder ausschließlich das machen, was ich am besten kann: Vetternwirtschaft, Lovesupport und Musik rezensieren, die ich mir selber kaufe.

Seit letztem Monat ist die Testpressung der fünften Retreat Platte ein Dauerbrenner in meiner Kiste. Nach knapp einem Jahr Liebe und Support aus der ganzen Welt feiert das Kreuzberger Liebhaberlabel mit “Treats Vol. 2” seinen ersten Geburtstag. Nach jeweils einer Soloplatte und einem Gastauftritt von Hunee schließen Hauke Freer (1/2 Session Victim) und Quarion den Kreis zu ihrer ersten Veröffentlichung mit einer Split-EP. Und mal wieder fällt es mir sehr schwer den Favouriten der Platte zu bestimmen. Ist es Danish Daughters mit seinen Cowbells und dem nordischen Discogroove? Oder doch Midnight Hour mit Filterfunk, Soulvocals und den schnell-langsamen Auslauftakten, die dem DJ die Verlegenheitsröte ins Gesicht treiben? Vielleicht aber auch Quarions Pepper Candy, das in Wirklichkeit zwei Sommertracks in einem vereint und im Chorus daran erinnert, wie schön es doch wäre die ein oder andere Metro Area Platte wieder heraus zu kramen.

Die andere Hälfte von Session Victim, Matthias Reiling, hat mir bei der letzten Labelparty dann auch gleich noch eine Lektion in Sachen psychedelic Sponge-Disco-Bobbing erteilt. Steeldrums, Spaced out Echoes, eine Steilvorlage von Paul Simon (seinerseits die bessere Hälfte von Garfunkel), Shaker hier, Shaker da und fertig ist der Slowmo Smasher von Tangoterje alias Todd Terje. Der Edit ist zwar schon ein paar Jahre alt, aber wer sagt denn, dass immer alles taufrisch sein muss. Gut Ding’ will Weile haben.

Todd Terje Live @ Nachtdigital Festival – 31-07-2009 by R_co

Wer ist eigentlich dein Lieblingsschauspieler? Meiner ist seit zwei Wochen John Bananolta. Wie verstehste nicht? Dann hör doch mal schleunigst die Debutplatte von Los Massieras an. Hinter Los Massieras verbergen sich Hugo Capablanca und David Ducaruge auf ihrem neuen Label mit dem humoristischen Namen Banamania. Mit Andy Warhols Vorzeigebanane auf dem Artwork steht dem Erfolg ja nichts mehr im Wege. Kaufargument war für mich zunächst die A-Seite “Boogity, Boogity, Boogity” , ein gitarrenlastiger Boogiebeat der sich geradezu destaströs in jeden anderen Krass-Tune einmischen lässt und immer den unbescheidenen Angeber markieren wird. Sofort getestet, den Frauen hat’s gefallen, den Männern auch, eingetütet: ein Hit! Aber auf Dauer sind Hits ja blöde, schön krass soll es ja bleiben. Und genau dafür empfiehlt sich die Flipseite. Auf Bananamania wartet John Bananolta höchstpersönlich und gibt uns eine Führung durchs Irrenhaus des CIA – Abteilung Affenzirkus. Und wem das zu viel Realität ist, der klinkt sich einfach ein paar potente Pilze, Shroom Heaven bietet schließlich eine würdige musikalische Untermauerung für jeden Trip.

Los Massieras “Boogity Boogity Boogity” by aufgemischt

Auf Dennis Ferrer’s Label Objektivity ist Mitte März die “Don ́t No Yet” EP der talentierten Martinez Brothers erschienen. Das ist ruff-rugged House Music der neuen New York Schule. Drei Tracks die um die Welt gehen werden. Meine beiden Hits sind “Broke In The Bx” und “Don ́t No Yet”. Der erste überzeugt mich vor allem mit seinem metallischen Rimshot, schade, dass dieses trockene Pockern ganz am Ende nicht schon früher eingesetzt wird. “Don ́t No Yet” klingt so oldschoolig deep, dass meine leider meine Schamhaare zu jung sind, um so zu tun, als wüsste ich was die dort machen und warum. Vielleicht ist aber auch genau das das Witz an der Sache, die Martinez Brothers sind nämlich selber jung und dynamisch und machen sich keine Platte darum, wer was wieso und weshalb vor ihnen gemacht hat. Superfresh. Den dritten Track “Won’t Somebody” finde ich persönlich zu berechenbar: etwas tribal hier, et- was palim-palim Vocal da. Außerdem noch ein Horn. Naja, charten wird der wohl trotzdem und alle werden ihn bis zum Erbrechen spielen. A Must-have!

the martinez brothers-broke in the bx by ganzo

The Martinez Brothers – Won’t Somebody (Objektivity) (Original Mix) by DJ Times Magazine

Text Uwe Krass

Till Kolter

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