Griserie! Toxicomanie! Légalité! Unter diesem Motto testet Miron in der , ob die Dosis wirklich das Gift macht. Nennt ihm Eure Hausmittel – Rausch und Sucht – und lasst ihn fliegen: miron@.de
Gibt es eigentlich noch Menschen, die behaupten, dass Marihuana die Einstiegsdroge Nummer 1 wäre? Wer erst an einem Joint gezogen hätte, der macht weiter mit Pilzen, Speed, Extasy, LSD, Meskalin, GHB, Kokain, Ketamin, Crystal Meth und landet letztendlich bei Heroin. So ein Blödsinn! Wer bei Heroin landet hat höchstwahrscheinlich zuerst mit Zigaretten und Alkohol angefangen – der Einstiegsdroge, die von der Basis jeglicher Partei am Stammtisch konsumiert wird. Wenn Ausländer nach Berlin kommen wundern sie sich oft, dass so viele Menschen hier rauchen. Jetzt wäre es einfach für mich, Statistiken über Raucher und Nichtraucher hervor zu zaubern, die Gepflogenheiten der Tabaklobby auszuleuchten oder vergleichend über den Konsum innerhalb verschiedener Kulturen zu schreiben. Wow. Oder ich berichte warum ich Nichtraucher bin. Auch wow, aber echt.
Ich hatte ja schon erwähnt, dass ausländische Besucher oft über den deutschen Zigarettenkonsum staunen. Als ich mit zwölf Jahren meine erste Zigarette rauchte kam ich mir wahnsinnig frühreif vor, was sich im Lauf meines Lebens als falsch erweisen sollte. Damals ging ich gerade in die siebte Klasse des Schadow-Gymnasiums in Zehlendorf und – behütet wie ich aufwuchs – hatte ich es auch nicht weit nach Hause, da ich am Ende der Clayallee wohnte. Auf dem Weg dorthin bildete ich mir ein, als Mr. Cool auf der Bank im Garten hinter dem Standesamt mit anderen Mitschülern rauchen zu müssen. Sie taten es, also musste ich es tun.
Nach meiner ersten roten Gauloises ging es mir den ganzen Tag beschissen. Es war ein Montag, das weiß ich noch, weil ich da Religionsunterricht in der City West hatte. Mir war zum Kotzen übel. Ich ging hin, blieb dort eine Stunde, torkelte nach Hause und legte mich mit Verweis auf Kopfschmerzen noch vor 18 Uhr ins Bett. Die Tage darauf ging es weiter hinter dem Standesamt. Wir rauchten geschützt vor den Blicken der Öffentlichkeit. Ich dachte damals, dass es besonders cool wäre, wie die anderen aus heiterem Himmel immer mal wieder auf den Boden zu spucken. Hätte ich es nur nicht ständig vergessen. Doch plötzlich wurde mir klar, warum es zu diesem Zeitpunkt so in Mode kam. Mit meinem neuen Hobby kam eben auch das Problem auf, dass der Mund unheimlich ekelhaft schmeckte. Also spuckten wir alle kräftig auf den Boden. Sie taten es, also musste ich es tun.
Nach einer Woche Zigarettenkonsum war also ich dran, auch einmal eine Packung aus der Tasche zu zücken. Sie taten es, also musste ich es tun. Aber wofür sollte ich mich entscheiden. Die Auswahl bei Woolworth in Zehlendorf Mitte war für mich unüberschaubar. Ich entschied mich für die Packung mit dem Tierchen: Camel. Und weil ich mein fünf D-Mark-Stück gut investiert haben wollte, mussten es Camel 100 sein. Wow, wie war ich auf einmal erwachsen. Das nächste Mal hinter dem Standesamt holte ich also lässig meine Schachtel aus dem Rucksack. Aber es traf mich beim ohnehin widerwärtigen Anstecken der Zigarette wie ein Schlag. Die Camel-Zigaretten schmeckten wie Scheiterhaufen!! Da half auch kein Ausspucken mehr. Mit dieser Zigarette endete meine Raucherkarriere. Die Packung verschenkte ich an eine Freundin und das war es.
Leider finde ich noch heute das Rauchen unheimlich nonchalant. Der Habitus, der vom Genuss einer Zigarette eines Rauchers ausgeht, überzeugt mich immer wieder auf’s Neue. Wie oft möchte ich am Morgen Espresso und Zigaretten genießen können. Wie gerne wüsste ich eine Zigarette nach einem guten Essen zu schätzen. Aber wie damals wird mir vom Rauchen einer Zigarette immer noch unheimlich schlecht. Ich werde weiß und übergebe mich schließlich.
Ab und an, alle zwei Jahre vielleicht, reitet mich dann doch der Teufel und ich muss es tun – das letzte Mal übrigens bei der Auszugsparty aus der proud-Redaktion in der Manteuffelstraße. Ich lernte eine umwerfende Frau kennen und wollte den tollen Hecht markieren. Sie rauchte auch, also musste auch ich rauchen. Ich zündete uns zwei Zigaretten auf einmal an, flirtete mit 150 Prozent, tanzte noch 20 Minuten und lag danach im Koma auf dem Sessel bevor ich mich selbst… ach egal. Was für ein Erfolg. Wer mich also das nächste Mal eine Zigarette rauchen sieht, erhält nun die Erlaubnis, mir diese aus der Hand zu reißen und mir einen schönen Abend zu bescheren. Danke.
Miron Tenenberg
Grafik Vinzent Britz
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Miron Tenenberg
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