Allein die Dosis macht das Gift. überprüft, ob Paracelsus mit diesem Satz Recht hatte und testet Alltägliches auf unerwartete Eigen- schaften. Nennt mir Eure Hausmittel und ich sage Euch, was sie bringen: miron@proudmagazine.de
Knoblauch ist in aller Munde. Gour- mets und Allesfresser sprechen der Knolle unersetzbaren Geschmack zu. Außerdem ist Knoblauch gesund und dient als Allheilmittel – für Gläubige. Ich glaube nicht, jedenfalls nicht an den Knoblauch. Das macht den aAn- deren aber nichts, denn bei Knoblauch scheiden sich nicht nur die Meinun- gen, ganze Weltansichten hängen daran. Fanatisch verteidigen die Lieb- haber den Knoblauch. Es gibt keine Kompromisse. „Nur wenig Knoblauch für die Sauce?! Hast du einen Knall? Wir machen da mindestens sechs Ze- hen rein, aber für Dich können wir auch ein bisschen weniger nehmen, was hältst du von vier?“ Meines Er- achtens sind Knoblauchesser Fanati- ker. Knoblauchfresser wäre passender. Kompromisse werden nicht eingegan- gen und wenn jemand keinen Knob- lauch mag, dann packt man schon aus Prinzip zwei Zehen mehr in das Essen. Aber Fanatismus schreckt mich ab. Ich kann mit dieser Art offensiver Engstir- nigkeit nicht umgehen. Genauso wie ich mit Knoblauch auch nicht umge- hen kann. Der Geruch vergeht sich an meinem Geruchssinn. Das tut manch guter Käse auch, aber nach dem Ver- zehr von Knoblauch riecht der eigene Körper ranzig. Die Mischung von al- tem Schweiß und Knoblauch ist eine fiese Angelegenheit, die noch nicht einmal durch eine Dusche zu been- den ist. Es kriecht einem förmlich aus allen Poren und der Mundgeruch ist auch am nächsten Tag anderen Leu- ten nicht zuzumuten. Halitosis ist der medizinische Begriff dafür, wenn die schwefelhaltigen Abbauprodukte über die Lungenbläschen in die Atemluft gelangen. Ihr seht, Knoblauch ist für mich ein pathologischer Zustand, der der Heilung bedarf, kein Ausdruck hö- herer Esskultur.
Einst fand ich Knoblauchtabletten in der elterlichen Küche und dachte mir, dass mir der Wirkstoff sicher auch gut tun würde. Immerhin soll Knoblauch ja ein Allheilmittel sein. Ich begann, täglich eine Tablette zu nehmen. In der folgenden Woche wunderte ich mich, dass mein Schweiß gelblicher wurde. Zudem roch ich wie die Jungs aus dem Bus, denen ich immer unterstellte, in Familien groß zu werden, in denen die Körperhygiene keine hohe Priori- tät genoss. Ich konnte es schließlich riechen! Ich war unglücklich, war ich doch vor den großen Ärgernissen der Pubertät verschont geblieben. Erst in der darauffolgenden Woche erkannte ich den Zusammenhang zu den Knob- lauchtabletten. Ich hätte mich vor ei- genem Ekel übergeben können, setzte die Pillen ab und ein paar Tage später war ich wieder ich selbst.
»Mir ist es also egal, ob Knoblauch gesund ist oder nicht. Ich würde mich ja auch nicht mit Hundekacke einreiben«
Mir ist es also egal, ob Knoblauch ge- sund ist oder nicht. Ich würde mich ja auch nicht mit Hundekacke einrei- ben, sollte es mir ein Lebtag weiche Babyhaut versprechen. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Zumal mir mein Leben ohne Knoblauch kein Stück leidenswert erscheint. Bärlauch ist zum Beispiel eine sehr gute Alter- native, die köstlich frisch und scharf zugleich schmeckt und einem nicht in den olfaktorischen Körperhaushalt funkt. Zudem wurde dieser in den letzten sieben bis acht Jahren so be- kannt, dass es ihn in der Saison auch frisch beim Discounter gibt und er
in immer mehr Produkten zu finden ist. Außerdem läuft jedem das Was- ser im Mund zusammen, sobald es selbstgemachtes Bärlauchpesto gibt. Das kann man von Knoblauchpesto wohl kaum sagen.
Im Übrigen bekomme ich letztens von der heißen Frau aus dem Nachbarbe- zirk zu hören, dass sie Knoblauch in ihrem Leben nicht vermisse. Seit eini- gen Jahren hätte sie den Konsum sehr zurück gefahren und nun wundere sie sich, wie gut es ihr damit geht – ohne dass es ihr aufgefallen wäre. Und ei- gentlich liebte sie Knoblauch über al- les. Ist der Suchti erstmal trocken, ist er völlig von den Socken.
Solche Geschichten bestärken mich darin, dass ich Knoblauch auch als ausgesprochener Genussmensch nicht mögen muss. Ich mag Gorgon- zola, Harzer Käse, Dosenfleisch- und fisch, mache mir nichts aus abge- laufenen Mindesthaltbarkeitsdaten, esse Brötchen von vor vier Tagen und trinke die Drinks aus, die ich beim Ausgehen heimlich klaue. Aber eine Knoblauch-Soberdose werde ich mir herzlich sparen. Ich werde kein Glas eingelegte Knoblauchzehen essen, auf Knoblauchsaft umsteigen oder wieder diese merkwürdigen Tabletten zu mir nehmen. Knoblauch ist in der Sober- dose tabu. Da kenne ich keine Kom- promisse!
PS: Und weil ich aus Überzeugung meine eigenen Prinzipien immer ir- gendwann über den Haufen werfe, habe ich begonnen Knoblauch im Es- sen tolerieren zu lernen. Ich fange an meinen Spleen langsam abzubauen. Dennoch bleibt Knoblauch ekelerre- gend und wird von mir nie akzeptiert werden. Prinzip bleibt Prinzip. Für im- mer und ewig.
Text & Image Miron Tenenberg
Miron Tenenberg
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