Schuhbacca – Espandrilles

von Schuhbacca


Liebe Leserschaft,

mich treibt die Frage um, ab wann man eigentlich ein Deutscher ist? Per Gesetz: sobald man einen deutschen Pass besitzt. Das kommt aber für einen per se Staatenlosen wie mich gar nicht erst in Frage. Ich komme aus dem Weltall und irdische Reisepässe werden dort im besten Fall verspottet. Es reicht doch, dass man mir die Rasse am Pelz ablesen kann. Welchen Menschen interessiert es, aus welcher Region meines Heimatplaneten ich stamme. Ihr könnt die Unterschiede der Brust- und Schulterbehaarung ohnehin nicht erkennen.

Die Frage nach der Identität wird mit einem Pass ohnehin nicht beantwortet. Der von Euch dezent betonte Migrationshintergrund relativiert ohnehin jede Staatsangehörigkeit. Willkommen in Deutschland. Deutsch im Herzen ist man also nicht, sobald man hier wohnt, hier zum Bürgeramt geht und hier wählen darf. Das heißt nicht, dass man dadurch zwangsläufig deutsch ist. Nein, erst wenn man es so macht wie die Deutschen, ist man das auch. Wie macht man es aber wie ein Deutscher? Es gibt dafür leider keine brauchbare Anleitung.

Wo ist die Leitkultur hin?

Der Köbes, der seinen Oachkatzlschwoaf am Backfisch reibt dafür uffjehangen wird, weil es laut Sex-Statistik nach 3,1 Tagen wieder mal für 17 Minuten heiß hergehen sollte, ist – sprachlich gesehen – eher eine Reise durch das gesamte Bundesgebiet als eine altersübergreifende Liebesgeschichte. Aber wer kennt sich schon in allen Dialekten der vier Himmelsrichtungen aus? Die Suche geht also weiter. Der Heilige Gral dieser Nachforschung wird mit Wasser gefüllt sein. Deutschland ist immerhin das Land der Wässer: Die Anzahl der Tafel-, Mineral- und Heilwässer sowie Quell- und Sodawässer lässt jeden Touristen erstaunen. Unendliche Definitionen hält die Mineral- und Tafelwasserverordnung dafür bereit. Das ist also deutsch. Ein Wasser müsste ich sein, kein Haarmonster. Dann hätte ich auch sofort eine deutsche Partnerin: die hässliche Einwegpfandflasche aus dünnem Plastik, gegebenenfalls Plaste.

Warum in die Nähe schweifen? Sieh das Deutsche ist so fern.

Deutsche machen Urlaub auf Mallorca. Das ist klar. Auf der Wurststraße Wurst sein. Als Zeichen meiner Verbundenheit zu dem deutschen Volk trage ich also Espandrilles, die Schuhe der Mallorquiner. Ich trage sie dieses Jahr zum ersten Mal, denn ich folge den Trends üblicherweise erst, wenn sie nach dem zweiten Aufwärmen am Abklingen sind. Als Alien halte ich mich grundsätzlich nicht an die aktuellen Moden der Erde. Da könnte ja jeder kommen! Espandrilles waren das erste Mal in den 80ern voll trendy, seit einigen Jahren sind sie dafür hip. Wer was auf sich hält, der trägt Espandrilles.

Aber welche sind die echt-deutschen Espandrilles?

Sind sie ein- oder mehrfarbig, mit angeklebter Vollgummisohle, nur ein bisschen Gummi oder ohne Klebesohle, sodass man direkt auf der Faser läuft, die wahlweise hand- oder maschinengefertigt ist? Soll man sich für 15 bis 25 Euro Espandrilles kaufen oder für 300 Euro von Edelmarken, die damit ein Zeichen des Downgradings statuieren? Darf es vielleicht das Wegwerfprodukt für 5 Euro sein, wie es sie bei Nanu Nana, dem deutschen Nippesschuppen Nummer 1 gibt? Dessen Besitzer hat übrigens aus auf der Ferieninsel Nummer 2, Sylt, den Namen Nanu Nana erfunden, als er dort als Hobbyfotograf die damals Reichen und Schönen ablichtete. Soviel zur Leitkultur. Nur meine Frage beantwortet sie nicht.

Vielleicht ist es die althergebrachte, deutsche Ignoranz, die als Reaktion auf Neues und Unbekanntes reflexartig hervortritt. Reflexe sind immerhin Reaktion, die das Gehirn quasi überspringen. Dunkle Haut und Haare – muss türkisch sein. Fernseher kaputt – muss an den Chinesen liegen. Mauerbau – waren die anderen. Migrationsprobleme – sind die anderen. Behaart Monster – ist ein Penner. Danke.

Mit dieser Ignoranz wird es sich aber nicht weit gehen lassen. Denn dem deutschen Michel werden sich seine „Espandrijo-Latschen“ vom Fuß lösen, sobald ein Platzregen das Gemüt reinigen will. Das ist der Sommer 2011. Espandrilles sind höchst wasserempfindlich. Werden bei eindringlichem Kontakt hart, lösen sich auf und fangen an zu riechen.

Schick, einfach, unbeständig. Das ist mein Ergebnis zur Leitkultur, wo man diese auch immer finden mag. Willkommen in Deutschlands Spätsommer 2011.

Euer Schubacca

Foto Nina Sage, Miron Tenenberg

Schuhbacca

Want more stuff like this? Show love below.