Rado die verrückte Weisheit

von Jil Berner


Am Freitagabend auf dem Weg nach Hause traf ich Rado. Im Dämmerlicht stand er im Garten mit einer Motorsäge und fuhrwerkelte an einer riesigen Holzfigur herum. Als ich stehen blieb, um ihn zu beobachten, lud er mich ein seine Arbeit aus der Nähe zu betrachten. Mit gemischten Gefühlen kam ich zwei Stunden später nach Hause. Irgendwie war ich von diesem intensiven und auch philosophischen Gespräch begeistert und zugleich hab ich mich gefragt, ob dass nicht totaler Humbug war. Entscheidet selbst…

Du bist in Bulgarien geboren, was hat dich nach Berlin verschlagen?

R:Zu meiner Zeit war es fast schon ein Verbrechen, wenn du nicht so bist wie die Anderen. Das war die Bulgarische Gesellschaft. Du warst bedrohlich und man hatte keine andere Chance als zu gehen und einen anderen Platz zu finden. Eigentlich wollte ich garnicht in Berlin bleiben. Es gibt hier eine enorme Vielfalt an Subkulturen. Menschen, die über alles reden können, ohne dafür bestraft zu werden. Das alles hat mich so fasziniert, dass ich mich hier sofort wie zu Hause gefühlt habe.

“Wenn jemand ein Frau beleidigen möchte sagt man „Du dumme Gans”.

Wieso bist du Künstler geworden?

R:Ich halte mich nicht für einen Künstler. Es ist nicht der Titel, den ich meine. Das Wort ist schon so ausgenutzt. Das ist wie ein Kaugummi, der durch 200 Münder gegangen ist. Oder wie eine 50 Jahre alte Prostituierte, die dich jedes Mal überzeugt, du wärst der erste Mann in ihrem Leben. Sag lieber „Take it easy”.

Take it easy?

R:Ja. Nimm es nicht so schwer. Wir Menschen sind tierisch ernst. Ich nehme meine Arbeit nicht so ernst. Ich such das Leichte. Du kennst jetzt nur meine Bildhauerei, aber ich mache noch mehr. Ich schreibe Kurzgeschichten, mache Karikaturen, mache Witze.

Was bringt dich vorwärts?

R: Vieles. Aber weißt du was die schönste Frage ist? Die Frage: Warum nicht? Man erzählt dir Dies und Jenes, du darfst Das nicht und Dies nicht. Wenn du wirklich etwas machen willst, was für dich einen Wert hat, solltest du aus dieser Konvention ausbrechen.

Meinst du Dinge anders machen, Dinge in Frage stellen?

R:Nicht nur anders, sondern wie anders. Es geht darum, das du eine richtige Grundlage deines Denken und Handelns entwickelst. Alles überdenkst und alles in Frage stellst. Es geht darum auf das Konventionelle zu verzichten. Man muss sich bereinigen von all dem, was einen umgibt. Das heißt, für dich gibt es nichts mehr, was selbstverständlich ist und von uns allen automatisch akzeptiert wird. Erst dann kannst du den ganz ganz schwierigen Weg zu der wirklichen Individualität finden. Du verstehst und spürst und fühlst , dass du die richtige Entscheidung triffst wenn du Tabus sprengst, wenn du auf Sicherheit verzichtest und gegen die Strömung schwimmst. Erst dann hast du die Chance das Schwimmen richtig zu erlernen.

Siehst du dich als Jemanden, der gegen den Strom schwimmt?

R:Ich hab keine andere Wahl. Ich möchte nicht in einem Sumpf landen, der aus bürgerlichen Kompromissen besteht. Das was ich versuche zu machen ist das idiotische Hamsterrad von den Ängstlichen anzuhalten und sie aus dem Sumpf zu ziehen.

So bist du also zu deiner Kunst gekommen.

R:Ja auch, aber vor allem durch ein Märchen über das Erkennen der Wahrheit. Das hat mir meine Oma erzählt .

Du sagst deine Figuren sind aus schlechtem Holz.

R:Ja. Die wenigen Menschen, die mich zu dem gemacht haben, der ich heute bin, sind alle aus schlechtem Holz geschnitzt. Das sind Säufer, Musiker, versoffene Künstler. Das sind Menschen die irgendwo eine ganz schäbige Existenz führen und zu gleich einen schönen, lebendigen Geist haben.

“Es ist vorallem wichtig, dass die Menschen eine Sache verstehen. Das Nützliche an der Kunst ist seine Nutzlosigkeit. “

Ist Kunst deine Art frei zu sein?

R:Wir wollen es nicht übertreiben. Die wilde Gans ist für mich das Symbol für Freiheit. Für instinktives Verhalten, für den reinsten Trieb. Wenn jemand ein Frau beleidigen möchte sagt man „Du dumme Gans”. Dreimal darfst du raten, um welche Gans es sich handelt. Um die domestizierte oder die in freier Wildbahn lebende? Und sind wir nicht alle irgendwo dumme Gänse? Halten wir uns nicht an Regeln, wacht nicht der Polizeihund über uns? Und wirft uns nicht der, der über uns sitzt das nötige an Mais zu, damit wir schön fett werden? Sind wir nicht ein wenig Buschi Buschi wenn wir für eine handvoll Mais pro Tag unseren Instinkt des freien Fliegens ablegen? Mir geht es darum, dass die Menschen wieder das freie Fliegen erlernen und als ganz instinktiv betrachten.

Treffen könnt ihr Rado hier: Adalbertstr. Ecke Bethaniendamm, Kreuzberg

Interview Jil Berner

Jil Berner

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