Wer Sven Weisemann schon einmal live als DJ erlebt hat, der weiß, dass dabei keine Hemden trocken bleiben. Seine einzelnen Bewegungen am Mischpult sind mit bloßen Auge kaum noch zu erkennen. Zeitgleich reißt er den linken Fader nach oben, den rechten nach unten, dann wieder umgekehrt und zwischendurch trommelt er auf den Drehpotentiometern herum wie ein afrikanischer Stammeshäuptling. Die Flinkheit der Finger und die Selbstverständlichkeit mit der der 25-jährige Potsdamer mitten im Break anfängt zu Scratchen , macht schnell deutlich: dort steht kein Mensch, der sich erst seit wenigen Monaten mit der Materie auseinandersetzt. Dort steht ein Liebhaber, der nun mehr als sein halbes Leben hinter den Plattentellern steht. Nachdem er sich im Raum Potsdam bereits einen Namen gemacht hatte und im Alter von 17 Jahren noch die Ehre hatte im legendären Tresor in der Leipziger Straße zu spielen, produziert er seit 2001 eigene Musik. Im Gegensatz zu vielen heutigen Produzenten verfügt der Autodidakt Weisemann über ein ausgeprägtes musikalisches Wissen. Er kann Klavier und Gitarre spielen und trommelt leidenschaftlich. Sein Debütalbum „Xine“ erscheint demnächst auf dem Label seines Freundes und Weggefährten Don Williams. proud besuchte den sympathischen Produzenten in seiner Lichtenberger Wohnung, um mehr über seinen bisherigen Werdegang und seine momentanen und zukünftigen Projekte zu erfahren.
Du bist gebürtiger Potsdamer, wohnst aber seit einigen Jahren in Berlin. Kennst du dich in der Berliner Szene aus?
Eigentlich nicht. Ich bin in Berlin nur insofern absolviert, als dass ich ab und zu in der Panorama Bar spiele, im Tape Club und seit kurzem auch im Horst. Das reicht mir aber auch, weil das die Clubs sind, in denen ich meinen Sound spielen kann und in denen ich mich entsprechend wohl fühle. Es gibt in Berlin so viele Parties von denen man gar nichts mitkriegt. Da muss man dann wieder die Leute kennen, die im Untergrund herumschwelgen. Das ist aber auch das schöne in Berlin. Hier passiert eigentlich jeden Tag was und für jeden ist was dabei. Deswegen ist die Stadt ja so toll. Es gibt aber auch leider zu viele schlechte Clubs, wo entweder immer die selben Leute spielen oder halt Musik läuft ohne Niveau und Stil.
Dann laufen auf unseren Parties wenigstens weniger Prollos rum.
Das hast du wiederum auch recht. Das Problem in einer Stadt wie Berlin, in der die Clubszene so groß ist, hast du generell immer zu viele DJs hast. Und dadurch gehen die ganzen coolen DJs, die es drauf haben und wirklich coolen Stuff spielen, oft unter. Entweder man kennt halt jemand oder man verkauft ordentlich Platten.
Sven Weisemann – Eternal Salvation Mix 21-06-11 by Sven Weisemann
Es gibt dadurch auch viel Neid in der Berliner Szene. Kennst du dass, wenn Leute dich unterschwellig fragen „Warum du und nicht ich?“
Klar kenne ich das. Nur ich habe mir wirklich alles hart erarbeitet. Mit 12 Jahren habe ich angefangen Platten zu kaufen. Damals habe ich im M-Beat Record Store in Potsdam, gearbeitet. Das war wie mein zweites Zuhause. Ich habe dort auch schon übernachtet. Damals war allerdings Techno meine Welt. Von Jeff Mills, Detroit bis Surgeon, The Advent etc. Durch Karsten (Nick Solé), den ich seit meiner Kindheit kenne, bin ich aber erst zu dem Sound gelangt bei dem ich jetzt bin. Er war quasi mein Mentor, der mir die Ohren für jazzige Sache und Deephouse geöffnet hat. Aber es gibt auch noch andere Leute die mich auf den richtigen Sound brachten. Ohne die gäbe es den Weisemann Trademark Sound nicht.
Weisemann Trademark Sound?
Mich hört man halt immer raus, sagt man mir. Ich weiß davon aber nichts.
Ok, ich versteh aber schon was die Leute meinen. Und nachdem Nick Solé, dir die Ohren gewaschen hatte, hast du angefangen drauf los zu produzieren?
Mit dem Produzieren habe ich 2001 begonnen. Am Anfang war es eher eine Spielerei. Ich habe mich an Rebirth gesetzt und derbe Beats gebaut. Eher so Jeff Mills inspirierten Techno. Irgendwann kam dann Fruity Loops, inzwischen FL Studio dazu, mit den ich mich sofort anfreunden konnte. Und dann wollte ich schon immer Klavier spielen, also habe ich mir erstmal ein kleines Midikeyboard geholt und geübt. Irgendwann hat mir mein Opa dann ein richtiges Yamaha Epiano geschenkt, mit gewichteter Klaviatur und gutem Klang. Erst Ende 2005 kam dann mein erstes Release. 4 Jahre habe ich gebraucht, um zu sagen: „Ich lasse meinen Stuff auf die Welt raus.“
Du bist also sehr selbstkritisch?
Ich bin so selbstkritisch, dass ich eigentlich nichts herausgeben möchte was nicht perfekt ist. Natürlich ist es nie perfekt, man kann immer noch etwas besser machen. Manchmal braucht man dann auch einen Arschtritt von Freunden. Solche Selbstkritik fehlt mir heutzutage. Jeder der einen Laptop und eine Soundkarte besitzt puzzelt in Ableton zwei drei Beats zusammen, vielleicht noch einen kleinen Deepchord mit 4/4 Delay und dann ist die Sache für ihn geritzt. Und deswegen haste dann den ganzen Mist auf‘m Markt.
Sven Weisemann – Inner Motions Mix 19-05-10 by Sven Weisemann
Aber trotzdem gibt es doch viele Leute, die einfach Talent haben in zehn Minuten einen funky Track zu bauen, denen aber das technische Knowhow fehlt um den Track dann vernünftig zu mastern und die sich dann Hilfe von außerhalb holen.
Ja solche Fälle gibt es natürlich immer, das war ja im Prinzip bei mir genauso. Es geht mir um die Qualitätsfrage, nicht darum, ob jemand in kurzer Zeit einen coolen Track baut. Man muss sich selbst treu sein und immer überlegen, ob der Sound cool ist und ich den so auf die Welt loslassen kann. Dazu muss man sich auch immer Feedback holen. Man muss einfach wissen wann man bereit ist, seine erste Platte zu veröffentlichen. Kann doch nicht sein, dass ich eigentlich von Tuten und Blasen keine Ahnung habe und nächste Woche bringe ich schon ein Album raus. Das geht gar nicht. Ich hatte trotzdem Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Und wie kam das dann?
Mein damaliger Mitbewohner Thomas (Don Williams) hing damals bei der Labelgründung von Styrax Leaves mit drin und hatte mich für die B Seite der zweiten Veröffentlichung vorgeschlagen. Irgendwie kam es dann, dass mein Track mit zum Gewinner der Platte wurde. Lawrence hatte die dann gleich für die erste Groove Mix CD lizenzieren lassen. So ging es halt los. Und dann kam auch schnell die Mojuba 002, die „Vibe“, meine erste richtige eigene Veröffentlichung. Als die Platte raus kam haben mir dann meine Helden Chez Damier und Larry Heard geschrieben, dass sie die Scheibe gechartet haben. Ich hab echt gezittert und dachte, ich bin im falschen Film.
Wenn ich an Sven Weisemann denke kommt bei mir auch unmittelbar Mojuba als Label in den Sinn. Inwiefern hängst du da mit drin?
Das Label hat Thomas kurz nach Styrax Leaves gegründet, weil er etwas völlig eigenes machen wollte. Wir haben damals philosophiert, dass wir so etwas wie eine Art Maurizio mit Percussion wollten. Das hat uns nämlich damals gefehlt. Er hat sich die gesamte Story um Mojuba ausgedacht, inklusive japanischem Artwork mit Stempel und den Vierecken aus unterschiedlichem Stoff, die auf jedem der Softcover kleben. Das Stempeln wurde inspiriert durch Omar S. und sein FXHE Label. Viele der Labels haben ja seine Gören gestempelt. Statt der Gören habe ich dann in der WG mitgestempelt. Man kann sagen, dass so gut wie jede der ersten 10 Veröffentlichungen durch meine Finger gegangen ist. Das ganze Finanzierung und das Herzblut kommt aber von Thomas. Ansonsten bin ich natürlich insofern involviert, als dass ich mir immer gerne neuen Stuff anhöre und Thomas weiterleite, wenn es irgendwie passt zum Konzept und Sound der 3 Labels von Thomas.
Was hat es denn mit diesen Stoffbeilagen auf den Covern auf sich?
Das hat eigentlich eher so eine Hingucker-Funktion. Thomas dachte sich, dass es etwas schlichtes sein soll, was man aber beim Stöbern im Plattenladen sofort Interesse weckt reinzuhören, auch wenn man es nicht kennt. Und wenn du bei Hardwax reinkommst, erkennst du auch immer gleich ob eine neue Mojuba, A.R.T.less oder Wandering draussen ist, weil man diesen Stil einfach wiedererkennt.
Sven Weisemann – Delightful composed & perfomed by sven weisemann by Sven Weisemann
A.R.T.less und Wandering sind ja quasi Sublabels von Mojuba. Was sind die eigenen Charakteristiken?
Auf A.R.T.less werden eher detroitigere Technotracks veröffentlicht. Der Oldschool Club Charakter steht hier noch mehr im Vordergrund. Wandering ist sozusagen das Jokerlabel für alles was sonst noch so geil ist. Von Minimal über Dubstep bis Drum and Bass etc. Auf Wandering erscheint jetzt auch im Oktober mein Pianoalbum.
Wann warst du das erste Mal im Hardwax? Der Laden gilt ja als sehr elitär und wird von vielen daher eher seltener frequentiert.
Ich war mit 14 dort das erste Mal. Damals haben wir viele unserer Platten noch im WOM gekauft und wollten mal in einen richtigen Berliner Plattenladen. Die Legenden darüber, dass man verarscht oder rausgeschmissen wurde, wenn man nach dem falschen Track fragte kannten wir natürlich und hatten gehörigen Respekt. Ich war auf der Suche nach Jeff Mills „The Bells“, weil ich die im Set von DJ Hell gehört hatte, wusste aber natürlich nicht was das war. Ohne groß zu überlegen habe ich 24 chat als angefangen das Lied vorzuträllern (er singt) Es war sofort klar das es um „The Bells“ ging und ich bekam die Platte. Ich hatte jedenfalls nie Probleme dort und kaufe also bei Hardwax seit ich 14 bin.
Eigene Partys?
Thomas hatte vorher die Mojuba Labelnächte in der Berghain Kantine veranstaltet. Das lief ganz gut und so sind wir dann rüber in die Panoramabar gezogen. Seitdem können wir uns auch coolere Bookings leisten. Thomas stellt sein Wunschlineup zusammen und die gucken dann was man machen kann. So konnten wir schon Namen wie Convextion und Norm Talley, Chez Damier nach Berlin holen. Am 16. Oktober findet dort die nächste Nacht statt. Diesmal mit Stereo Citi aus Japan auf den wir uns schon sehr freuen.
Ab und zu sickern ja mal so Gerüchte raus wer wieviel bekommt. Ich will jetzt gar nicht wissen wieviel, aber wie stehst du dazu?
Gerade bei Auslandsbookings verlange ich schon meinen Preis, aber manchmal fasst man sich schon an den Kopf, was die Global Player so bekommen. Vaddern vom Bau hat seit vier Jahren einen kaputten Rücken und die stecken da 10.000 für einen Gig ein und wollen trotzdem noch Extrawünsche haben. Mir ist es persönlich wichtiger einen schönen Abend mit Freunden und guter Stimmung zu haben.
Freunde und eine gute Stimmung ist das A und O. Was gehört für dich sonst noch zu einer guten Party?
Für mich ist es wichtig, dass sich an dem Abend zwischen Crowd und DJ eine Beziehung entwickelt. Manchmal steigert man sich so gegenseitig hoch und dann kann man mit der Crowd alles machen. Da müssen sich allerdings beide Parteien drauf einlassen. Und die Leute müssen sich natürlich untereinander auch wohl fühlen. Häufig sind Parties mit 50 Leuten in gemütlicher Atmosphäre besser als solche 500.
Sven Weisemann Mixes by Sven Weisemann
Auch wenn die Zeit undankbar ist, macht es mir immer mehr Spaß Warmups zu spielen, weil man sich freier entfalten kann. Wie machst du das?
Warmups spielen macht wirklich Spaß. Die Meute vorzuheißen ist eine große Disziplin. Ich habe letztes Jahr in London das Warmup für DJ Sneak gemacht. Als ich kam war der Club komplett leer, der Local Support stand auf völlig verlorenem Posten. Dann fing ich an und ziemlich schnell kamen mehr Leute. Bis Sneak da war habe ich die Meute dermaßen zum Kochen gebracht, dass er letztendlich einfaches Spiel hatte. Danach kam ein Mann zu mir und meinte er musste schon seit über einer Stunde aufs Klo, er hätte aber Angst gehabt, eine Platte zu verpassen. Sowas geht jedem DJ runter wie Öl.
Und was forderst du von anderen DJs? Ist Sven Weisemann ein Deckshark.
Als DJ ist man allgemein viel kritischer. Gerade wenn ich eine Platte kenne und der DJ aus dem Track mixt, bevor die Stelle mit den Congas kommt, dann fass ich mir auch an den Kopf. Leider ist eine Sache ziemlich verloren gegangen. Ich vermisse DJs, die geilen Stuff spielen und ich kenn diese Platte nicht. Solche Momente finde ich richtig geil. Die brauch man einfach. Man kann noch so viel kennen, es gibt immer wieder neue Schätze zu entdecken. Was ich aber gar nicht leider kann sind DJs die nur nach Charts einkaufen.
Da stimme ich dir voll und ganz zu. Deswegen gebe ich auch gerne detaillierte Auskunft, wenn mich jemand nach dem Stück fragt. Sag mal kriegst du eigentlich viele Promos?
Klar kriegt man schon viele Promos, aber das meiste taugt leider nichts. Von daher sage ich inzwischen den Leuten schickt mir lieber die MP3 zum Vorhören und wenn die Platte gefällt, dann können sie mir gerne eine Kopie schicken. Ist ja schließlich schade um das Material und auch um meine Zeit, wenn ich die Sachen hinterher bei eBay reinstellen oder vielleicht sogar wegschmeißen muss. Dafür kaufe ich aber auch gerne Vinyl von eingen Künstlern, selbst wenn ich die Sache umsonst bekommen würde. Einfach um die Industrie zu unterstützen. Da hängt ja schließlich nicht nur der Künstler dran, sondern auch Vertrieb, das Label und der Plattenhändler. Davon profitieren also viele Parteien. Das ist doch eine schöne Sache oder nicht?
Ich werde auf jeden Fall allen meinen Freunden ans Herz legen deine Platte zu kaufen. Vielen Dank für das Interview.
Und jetzt spiel ich dir noch ein paar meiner Lieblingsplatten vor.
Das Debutalbum „Xine“ von Sven Weisemann erscheint am 26. Oktober auf dem Mojuba Sublabel Wandering. Das Review erfolgt in der nächsten Ausgabe. Wer Sven Weisemann als DJ erleben und einen weiteren Einblick den Mojuba-Sound bekommen möchte, sollte sich Freitag, den 16. Oktober, für die Mojuba & a.r.t.less Labelnacht in der Panoramabar frei halten. Am Freitag, den 30. Oktober, findet außerdem im Glashaus (Arena) ein Event der ganz besonderen Art statt. Das Projekt „Essence – Elements of Life“ ist ein Audio-visuelles Event an dem Künstler verschiedener Stilrichtungen beteiligt sind. Unter anderem dabei ist Florian Schirmacher (Cadenza/Liebe*Detail). Sven Weisemann wird dort seine Pianokünste unter Beweis stellen. Außerdem gibt es ihn zur Aftershow nochmal als DJ zu hören, auf der auch Freund der Familie ein Live-Set spielen wird.
Interview Uwe Krass
Layout Vinzent Britz
Till Kolter
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