proud tours presents: stockholm

von Lukas Kampfmann


Spanier im Berghain, Briten in der Bar, Australier im Watergate: In Berlin ist die Welt jedes Wochenende zu Gast bei Freunden. Grund genug für die
proud den Spieß rumzudrehen und sich mal bei unseren Besuchern daneben zu benehmen. Wir waren mit Sack und Pack drei Tage in Stockholm – um eine Party zu crashen, einer Sekte beizutreten und einen Spielplatz zu beschenken. Ein Erfahrungsbericht in 9 Kapiteln.

Mittwoch, 25.11. – 17:42 Uhr
Mein Telefon bimmelt. Die Stimme am anderen Ende sagt nicht mal Hallo. Keine Zeit für Floskeln. Es ist Richi. Richi hat die proud erfunden. Und Richi braucht Antworten. „Hast du deinen Koffer gepackt?“ „Äh…klaro. Wo geht’s denn hin?“ „Stockholm, morgen früh, halb 7 geht’s los. Ich schick dir ne Mail.“ Stockholm, na gut. Ich glaub, das ist in Schweden. Ich war noch nie in Schweden, aber in meinem Kopf leuchtet der Begriff „Schwedisches Bikini Team“ in grellen Neonfarben auf. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was ein Bikini Team ist oder warum Schweden sich eins leisten würde, oder warum man mit 23 immer noch die Assoziationsketten eines 15 jährigen hat.

Donnerstag, 26.11. – 06:53 Uhr
U7 Richtung Rudow, auf dem Weg nach Schönefeld. Wir sind acht Leute, und alle sehen so zerknautscht aus, als hätten sie zwischen den Sofapolstern gepennt. Acht Leute? Wieso können diese acht Leute eigentlich alle mal spontan am Donnerstag ihr Leben schwänzen? Egal. Irgendwie fühlt
sich alles wie eine Klassenfahrt an, nur das keiner vorher Bong geraucht hat. Glaub ich. Richi klärt uns auf, warum die halbe Redaktion auf dem Weg nach Schweden ist: Ryanair gibt einen aus, und zwar ne Runde Freiflüge plus Spesenkonto. Bei dem Wort Spesenkonto driftet meine Aufmerksamkeit plötzlich
zu Bildern von Zigarren, Whirlpools und wasserstoffblonden Bikiniteam- Mitgliedern, und deshalb kriege ich nur noch am Schluss mit, dass wir 400 kg Dokumentarfilme von Emins Vater suchen müssen. Emin hat ebenfalls die proud erfunden. Ich habe also keine Ahnung, warum wir nach Schweden fliegen, aber das erscheint auch alles nicht mehr so wichtig.

Donnerstag, 26.11. – 11:14 Uhr
Wir sitzen im Bus vom Flughafen Richtung Stockholm. Schweden muss das einzige Land der Welt sein, das allen Ernstes Flughäfen aus Holz baut. Im Duty-Free Shop waren die Augen größer als der Magen, und die Horrorgeschichten über groteske schwedische Alkoholpreise hatten eine 200 € Investition in Schnaps klar gerechtfertigt. Nun kuschelt sich jeder an eine Flasche Fusel, während Landschaften wie aus dem IKEA Katalog vorbeiziehen. Birkenwälder, Holzhäuser und Fischerdörfer säumen die Straße, während sich meine Assoziationskette allmählich um die Worte „Elchtest“ und „Pippi Langstrumpf“ erweitert. Klischee Olé.

Donnerstag, 26.11. – 15:01 Uhr
Sonnenuntergang. Wir haben in ein Hostel auf einem Hausboot eingecheckt, und die Stockbetten in den winzigen Kajüten machen das Jugendherbergs-Feeling perfekt. Noch ist genug kollektiver Anstand vorhanden, sich an einem frühen Donnerstag Nachmittag nicht sofort einen reinzulöten, deshalb laufen wir als Beschäftigungstherapie in die Innenstadt. Stockholm hat fast eine Million Einwohner und ist auf 14 Inseln verteilt, die durch 53 Brücken verbunden sind. Der Kontrast zu Berlin ist hart, es gibt kaum Graffiti, die Spätis heißen Seven-Eleven und man kann sich nicht an der Spree orientieren, da man von Kanälen umzingelt ist.

Donnerstag, 26.11. – 19:27 Uhr
Das Problem mit dem hohen Norden lässt sich relativ leicht auf den Punkt bringen: Die Sonne geht Ende November gegen 15:00 Uhr unter. Da es also schon um 4 zappenduster ist, fängt man um 7 an zu saufen, weil man denkt, es sei schon 10. Dementsprechend ist man, wenn es dann mal wirklich 10 ist, so rotzevoll, als wäre es 4. Talk about Zeitverschiebung. Um 10 füllen wir die letzte Buddel Wodka in den Orangensaft, und laufen Richtung Södermalm, einem Stadtteil, der Kreuzberg am nächsten kommt. Von allen Parties in Stockholm schlagen wir ausgerechnet bei einer VICE Party auf. Wir geben uns als VICE Germany aus, und kassieren dadurch den ganzen Abend Freibier, was nicht aufhört, Spaß zu machen. Liebe VICE: Kommt auf unsere Party in der Ritterbutzke am 19.12., und versprochen, wir machen euch betrunken! Gespräche mit Schwedinnen laufen alle nach demselben Muster ab: „Hi, ich bin Lukas, das ist Richi.“ „Ok.“ „Wir kommen aus Berlin.“ „WOW! Habt ihr ne Freundin? Wo wohnt ihr? Wollt ihr unsere Nummer? Gefällt dir mein Lippenstift?“ Das bringt uns auf die zündende Geschäftsidee: Wir stampfen die proud Berlin ein, und vertreiben das Magazin nur noch im Ausland. Unter dem Namen „prøud“ erzählen wir der Welt einfach, wie affengeil Berlin ist, und werden stinkreich. Easy.

Freitag, 27.11. – 11:19 Uhr
Oh. Mein. Gott. Diese. Kopf. Schmerzen.

Freitag, 27.11. – 16:07 Uhr
Wir sitzen zur Ausnüchterung im ersten und einzigen Lichtcafé der Welt. Ein 6-monatiges Lichtdefizit macht erfinderisch, und so hat unser alter Schweden-Kumpel Martin in seinem Lokal namens „Iglu“ einen Raum geschaffen, der absolut weiß ist. Hier strahlt ein gutes Dutzend Neonröhren die Decke an und schafft damit eine Umgebung, die die natürliche Vitamin D Produktion anregt, die sonst völlig zum Erliegen kommt. Um die Nummer noch seltsamer zu machen, muss jeder Besucher einen weißen Poncho anziehen, was aus der proud Redaktion plötzlich eine Space Age Sekte macht. Dazu schlürfen wir Urwald-Wurzel-Smoothies, die aussehen wie sie sich anhören, aber ganz sicher voll gesund sind.

Samstag, 28.11. – 13:33 Uhr
Ein bisschen Kultur muss sein. Wir machen uns aus Alibi-Gründen auf den Weg zur Museums-Insel, stolpern aber Schnurrstracks in eine Nazi-Demo. Die fünfzehn Glatzen sind alle 14, genau wie die 30 Gegendemonstranten. Über der Stadt kreist ein Polizeihubschrauber, im Hafen ankert die Küstenwache und eine Legion Riot-Cops reitet durch die Straßen. In Schweden fühlt man sich selbst auf ner Demo wie in eine Blomört IKEA Decke eingekuschelt. Wahnsinn. Rico hat 30 Minuten vor Abfahrt noch eine Vodka Flasche entdeckt, und da niemand einen Hasselhoff machen will, versuchen wir, sie zu verschenken. Was in Berlin exakt eine U-Bahn Station dauern würde (Will jemand ne Motz? Danke!), wird in Stockholm zur Unmöglichkeit. Ich stelle die Flasche auf einem Spielplatz ab, und steige in den Bus.

Samstag, 05.12. – 12:04 Uhr
In 12 Stunden gehen wir in Druck, und dieser Artikel muss fertig werden. Wie ist die Geschichte aus der Distanz zu bewerten? Stockholm ist n Trip. Wert,mein ich. In Schönefeld ist man in 30 Minuten und Ryanair bringt Dich und Deine Kumpels für n Appel und n Ei in zwei Stunden in das Land von Billy, Ivar und Klippan. Wenn dich also die Berliner Winterdepression jagt, setz Dich in den Flieger und trink auf einem Hausboot Schnaps mit freundlichen Schweden. Denn das ist die Antwort auf die Frage: What would proud do?

Text Lukas Kampfmann

Images proud

Special Thanks Ryanair ryanair.com/de
Special Thanks Flughafen Schönefeld

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Lukas Kampfmann

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