Niko Schwind – music was my first love

von Daniel Penk


From Trier to Berlin. Niko Schwind ist angekommen und hat auf „Stil vor Talent“ das geschafft, woran viele DJs scheitern: Ein bemerkenswert gutes Soloalbum zu produzieren. Ich erwische ihn im Labeloffice. Gestern war er noch in Bern, heute Abend geht’s nach Rom. From Disco to Disco. So ein Albumrelease kann anstrengen, aber das merkt man ihm nicht an. Wir reden über Hip-Hop, das erste Mixtape und das Arbeitsamt. Eigentlich über Gott und die Welt. Und die sieht auch aus den Augen einer der Durchstarter des Jahres nicht anders aus als zuvor. Der große DJ-Pathos ist nicht sein Ding. Niko Schwind will nur Musik machen.

Der Sound auf dem Album ist sehr groovy und housig im Vergleich zu den Sachen, die ich noch von früher kenne. Wie hast du deine Entwicklung wahrgenommen?

Im Vergleich zum ersten Album ist „Good Morning Midnight“ viel minimaler. Das hat sich bei mir auch durch das Auflegen in diese Richtung entwickelt. Ich habe angefangen viel housiger und ruhiger zu spielen. Das spiegelt sich auch in der Platte wieder. Überhaupt merkt man momentan, dass der langsame Sound wieder stark im Kommen ist. Gerade hier in Berlin. Ich könnte mir auch vorstellen mal ein Set auf 109/110 BPM spielen. Das rockt genauso, wenn die Leute sich darauf einlassen.

Du bist mit 29 Jahren nach Berlin gekommen. Wie war das für dich?

In Berlin hat ohnehin alles für mich angefangen, auch wenn ich eigentlich aus Trier komme. Meine ersten Labels “Autist” und “Cassette” stammen hierher und das hat mich schon sehr früh mit der Stadt verwurzelt. Wir sind früher schon immer ins alte Ostgut gefahren, ich hatte immer eine Homebase hier. In meiner Anfangszeit habe ich alle Clubs mitgenommen. Das war schon beeindruckend, wenn man aus einer Stadt mit 100.000 Einwohnern und maximal 3 Veranstaltern kommt. Wenn man in so eine große, intakte Clubszene geworfen wird, ist das schon verrückt.

Gehst du selbst auch noch gerne feiern?

Es ist weniger geworden. Je mehr ich spiele, desto weniger gehe ich weg. Wenn man Freitags und Samstags auflegt und Sonntag mittags nach Hause kommt fällt es einem schon schwer sich nochmal aufzuraffen. Im Sommer geh ich aber schon mal auf ein OpenAir, ganz entspannt mit ner Mate. Clubs besuche ich wenn überhaupt, dann nur wenn Freunde von mir auflegen. Außerdem muß ich meine Ohren schützen, da ich einen Tinnitus habe. Da ist man schon ein wenig sensibilisiert.

Wie ist das passiert? Auch durchs Auflegen?

Komischerweise nicht. Den hab ich mir mal auf einem Hip-Hop Konzert in Köln eingefangen.

Hast du früher viel Hip-Hop gehört?

Ja, eigentlich nur. Mit Techno hab ich erst so 2001 angefangen, vorher habe ich sehr viel Hip-Hop gehört. Nebenbei auch mal solche Sachen wie „the prodigy“, aber so wirklich mit elektronischer Musik auseinandergesetzt habe ich mich erst 2001. 90er Jahre Hip-Hop war mein Ding, und ich höre auch heute noch privat sehr viel Rap.

Gab’s ein spezielles Erlebnis, das dich zum Techno gebracht hat?

Da gab es Zwei Sachen. Natürlich erstmal das Auflegen, das ich bei Freunden zum ersten mal gesehen habe. Das hat mich sofort fasziniert. Und dann kann ich mich an einen Auftritt von Tiefschwarz in Trier erinnern, der mich total gecatcht hat. Damals haben die noch sehr viele soulige Sachen in ihrem Set gespielt, das hat mir unheimlich gut gefallen.

Wann kam dann für dich der Moment wo du entschieden hast nur noch Musik zu machen?

Als ich damals nach Berlin gezogen bin habe ich mich noch nicht wirklich getraut so etwas ernsthaft durchzuziehen. Ich hatte erstmal einen Studienplatz für soziale Arbeit, allerdings habe ich den ziemlich schnell sausen lassen und bin lieber jobben gegangen. Man muss dazu sagen, dass ich damals schon 29 war. Da muss man sich dann entscheiden und ich wusste: Wenn ich das Studium ernst nehme, wird es schwierig mit dem Musikmachen.

Wie hast du dich damals finanziert?

Ich habe im Callcenter bei Ebay gearbeitet und war jeden Tag 8 Stunden an der Strippe. Wenn ich nach Hause gekommen bin, war ich zu fast nichts mehr zu gebrauchen. Meine Kreativität ist auf ein Minimum zurückgeschrumpft. Irgendwann hatte ich dann einen Unfall, als ich versuchte ein Glas zu fangen. Dabei riß die Sehne meiner Hand und ich lag 3 Monate flach. In dieser Zeit habe ich den Entschluß gefasst zu kündigen und eine Existenzgründung übers Arbeitsamt abzuschließen.

Existenzgründung? Wie kann ich mir das vorstellen?

Als DJ und Produzent. In Berlin ist so etwas relativ gut möglich. Man muß ein Konzept schreiben, es vorstellen und mit Glück bekommt man dann ein Jahr Förderung. Bei mir hat’s geklappt (lacht).

Gab’s da nicht auch mal den Moment wo du gedacht hast, dass es die falsche Entscheidung war?

Selbstzweifel hat man immer wieder wenn man in Kalender schaut und sich denkt: Können das nicht ein bisschen mehr Bookings sein? Gerade als Selbstständiger ist man ja die ganze Zeit eigenverantwortlich. Diese Selbstzweifel gab es auch was meine Musik und die Tracks anging. Da muss man einfach durchhalten. Egal was man macht. Wenn man etwas erreichen will, muss man auch die dementsprechende Energie aufbringen.

Hast du dadurch einen anderen Blick auf den heutigen Erfolg bekommen?

Ich sehe mich selbst überhaupt nicht als den großen Star-DJ. Ich bin sehr gesettelt und immer noch dankbar. Was gibt es Schöneres als sein Hobby zum Beruf zu machen und damit Geld zu verdienen? Das ist ein Geschenk.

Weshalb machst du Musik?

Meine Schwester hatte damals eine Großraumdisco in Mainz. Damals konnte ich schon als kleiner Knirps mit 8 Jahren in der Disco rumflitzen und an den Automaten spielen. Die Lichter, die ganze Atmosphäre. Das hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Ein Riesenspielplatz, der mein Herz für das Nachtleben geöffnet hat. Der Resident-DJ hat mir dann mal ein Mixtape geschenkt. Das habe ich regelrecht verschlungen. Es war so etwas wie ein Schlüsselerlebnis.

*Nikos Handy klingelt*

Das ist Olli…(Koletzki, Anmerk. d. Red.)

Na dann geh doch dran. 

Die Spuren? Ja, die habe ich dir alle geschickt. Du ich hab hier gerade ein Interview, ich melde mich später…

Wie kann man sich eigentlich das Arbeitsverhältnis innerhalb von “Stil vor Talent” vorstellen?

Das ist schon sehr familiär. Wir sind alle miteinander befreundet und treffen uns auch außerhalb der Woche mal zum Grillen. Der Kern unserer Agentur sieht sich doch schon relativ oft. Mit Andre von Channel X nehme ich zum Beispiel gerade zusammen Klavierunterricht.

Was versprichst Du dir davon? Wo möchtest Du in ein paar Jahren stehen?

Ich finde es als Künstler wichtig, sich immer weiterzuentwickeln und Neues zu lernen. Da ich als Kind keine musikalische Grundausbildung hatte, versuche ich das jetzt als Künstler nachzuholen. Die Musik ist meine Visitenkarte und ich will später nicht nur Clubmusik machen und auflegen.

Es gibt ja einige Künstler, ohne Namen zu nennen, die das anders sehen.

Also, ich kann mir nicht vorstellen mit Ende 40 noch aufzulegen. Ich will einfach mal was anderes machen. Filmmusik zum Beispiel, das stelle ich mir sehr interessant vor. Ich finde es wichtig sich in dem Beruf alle Möglichkeiten offen zu lassen – für später. Ich möchte auf mehrere Optionen zurückgreifen können.

Gönnst du dir jetzt erstmal eine Produktionspause nach dem Release?

Ich habe jetzt schon 3 oder 4 Wochen keine Musik gemacht, aber es fängt schon wieder an in den Fingern zu jucken. Obwohl viele gesagt haben, dass ich jetzt erstmal eine Pause machen sollte. Ich kann das nicht. Irgendwann muss ich einfach wieder vor den Rechner. Aber wenn ich unterwegs bin, kaufe ich mir oft ein Buch. Lesen ist mein Ausgleich.

Daniel Penk

[audio:http://proudmagazine.de/uploads/Podcast-Niko-Schwind.mp3|titles=Podcast Niko Schwind]

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