Home is where the art is – Zu Besuch im Kulturzentrum Friedrichshöhe
Es gibt weniges, was so nervig sein kann, wie die Frage, was Streetart ist und was nicht. Dabei ist es so einfach, Streetart zu definieren:Die Kunst, die Straße zur Leinwand zu machen. Feierabend. Aber wenn die Straße die Leinwand ist, was sind die Museen? Streetart Shows waren in den letzten Jahren häufig, fein und erfolgreich. Aber Streetart in Ausstellungsräumen wirkt auch wie Bart Simpson in der Sonntagsschule.In Melbourne, Stencil Rock City #1, findet man urbane Kunst in den „Laneways“ – kleinen Gassen zwischen den Häuserschluchten, in denen jeder Quadratzentimeter nach Aerosol duftet. In Berlin ist es das Kulturzentrum Friedrichshöhe, Pistegängern besser bekannt unter den griffigen drei Buchstaben PHB.
Das Gelände an der Landsberger Allee ist 130 Jahre lang die größte Brauerei auf dem Kontinent gewesen. Dann kommt die Wende, das ganze Teil geht den Bach runter, und erst seit dreieinhalb Monaten fließt im PHB Club wieder Bier. PHB ist das Projekt von Danyell Künzel, der den kompletten Laden 2005 pachtet und jetzt nach und nach mit EU Geld saniert. Danyell hat 100 Künstler in PHB Ateliers untergebracht und ballert am Wochenende gerne mit 150 Sachen in aufgebohrten Renn-Karts über die Piste, was sich dann PHB Racing nennt. Der Herr Künzel wird in den nächsten Jahren noch einige Kaninchen aus dem PHB-Zylinder ziehen. Riesengroße Kaninchen. Der Komplex selbst ist ein Labyrinth und hat diesen eigenartigen, post-apokalyptischen Vibe: Überall findet man Löcher in Wänden und Decken, Treppenhäuser sind halb eingestürzt und ab und zu taucht eine einsame Glühbirne einen Flur in psychedelisches Magenta. Die Wände wurden nach und nach zu einer Berliner Streetart Wall of Fame; von Alias über Bonk! bis Tower sind dutzende Künstler und Crews zu finden. Dank der Ungestörtheit haben die Meisten aufwändige Multi-Layer Pieces hinterlassen. Stencil Louvre in Friedrichshain. Bisheriger Höhepunkt dieser visuellen Achterbahn war das Urban Affairs Festival im letzten Sommer. 25 internationale Künstler haben einen Monat lang ihr Zeug ausgestellt und die Hütte gebombt.Ein feines Beispiel für den PHB Charme ist der Künstler Keno, der dort sein Atelier hat. Keno kam 1991 als junger Kerl ohne ein Wort Deutsch oder einen Pfennig Geld aus Südamerika nach Berlin. Seitdem baut er monumentale Altar-Installationen aus den endlosen Materialien der Wegwerf-Gesellschaft, um sich einen Reim auf den ganzen Zirkus zu machen. Zum PHB Komplex und seiner Zukunft meint Keno: „Ruinen sind Berlins Seele. Aber Veränderung ist ein natürlicher Prozess. Es geht um die Balance zwischen Chaos und Ordnung…wie immer.“ Die Straße ist die Leinwand. Ein Museum steht in der Landsberger 54.
Text & Images: Lukas Kampfmann
Redaktion
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