Mitfahrgelegenheit Ödipus Komplex

von Redaktion


Ein Bericht über Felix Wunderlich und ein wunderliches Cover für die proud

Von der letzten Woche gewurmt, spielte ich seit nun mehr zwei Tagen mit dem Gedanken endlich nach Essen zu meiner Frau zu fahren, leider konnte ich mich nicht komplett gegen meinen Kopf durchsetzen. Doch als ich am Samstag um 18.30 Uhr im Internet spaßeshalber nach einer Mitfahrgelegenheit suchte, konnte ich nicht mehr nein sagen. Ich war quasi schon bei Ihr zu Hause. Mein Herz machte mich unruhig und der Typ hatte den gleichen Nachnamen wie mein Großvater.

Abfahrt Prenzlauer Allee. Ein vollgestopfter Passat, mit aller Hand Rollen und Kram. Ein langhaariger Typ mit einem sympathischen Lächeln und sechs Stunden Fahrt, die wir auf jeden Fall miteinander verbringen werden. Ich dachte mir, zum Glück ist der irgendwie OK.

Im Auto angekommen beschlossen wir, nach ein wenig Tête-à-tête und da die Sympathie auch auf beiden Seiten zu liegen schien, von der Prenzlauer bis zur Schönhauser Ecke Bornholmer, dass wir nun genug Zeit hätten, um ein Interview zu führen. Worüber? Über die Kunst und das Kunstverständnis von Felix Wunderlich.

Er ist 33 und wird verfolgt. Von einem Mensch im Hasenkostüm (der eigentlich der übertragene Traum seiner Mutter ist), von Fischen, von Lichtern, jede Menge Psychosomatischen und zu guter Letzt dem Vergleich mit Rembrandt. Um sein Werk erklären zu können oder es zumindest zu versuchen, muss man verschiedene Standpunkte der Interpretation im Auge behalten.

Ersten: Für wen malt der Künstler. Es gibt verschiedene Möglichkeiten hierfür. Eine ist, man malt aus dem Aspekt eines Affektes heraus, zum Bsp. für die Liebe zur Unerreichbaren oder wie so oft dem Urvertrauen, zur Mutter. Sämtliche Freud’schen Komplexe und Neurosen spielen hier eine große Rolle. Oft treiben einen diese Macken dazu die verrücktesten Stillleben, hübschesten Portraits oder experimentellsten Bilder zu kreieren. „Wichtig ist es sich den Auftraggeber bewusst zu machen, für wen machst du das eigentlich? Malst du für die Kunst, für dich oder für Sie?“

Wunderlich seine ersten Bilder, die oft gespickt waren mit dem Menschen im Hasenkostüm, der jeden Abend von seinem vierten bis achten Lebensjahr von der Heizung her zu ihm gehoppelt kam, war eigentlich nicht sein Traum. Er diente hier als Medium, das vergewaltigt, mit seiner Angst allein gelassen wurde. Später kamen Fische und Tauben hinzu, Lebewesen den er Andacht erwies, da ihm dies durch irgendeine Situation aufgetragen wurde. Andachtsmalerei. Hierbei gebar er jedes Mal Kinder, als eine Art Therapieansatz seiner selbst. „Alle haben es so gemacht, alle Großen, Van Gogh wäre schon viel früher komplett durchgedreht, wenn er keinen Pinsel gehabt hätte.“

Zweitens: Das Erkennen wer man ist, Patient oder Therapeut. Hier ist wahrscheinlich der wohl schwierigste Teil erreicht. Wer ist man? Wer will man sein? Die Patient Variante ist auf jeden Fall die gängigste, und Felix hat sich jetzt nach 10 Jahren Therapie entschieden, die Seiten zu wechseln.

Der psychosomatische Aufbau ist das Wichtigste, erst wird die Leinwand komplett geweißt, bis die Struktur nicht mehr zu sehen ist. Dann wird das Bild rasiert, bis es ganz glatt ist. An dem Punkt angekommen, kann man alles mit der Wand machen, kratzen, tätowieren, branden und schneiden. So wird es ein eigenes Individuum.

Das neue Werk des Wahlberliners beinhaltet eine neue und andere Technik. Es ähnelt eher einer Traumdeutung à la Freud. „Die Erscheinungen“, sind Grundierungen seiner Klienten, Freunde und Praktikanten, die er als Medium zu deuten versucht. Das heißt sie malen in sieben bis zehn Sitzungen Farbspiele auf eine Leinwand und interpretieren diese jedes Mal neu. Aus dem, was dort entstanden ist, entwickelt er dann das ganz persönliche Portrait. Die Bilder ähneln Tagträumen, und dem, was man im Dunkel zu erahnen versucht.

Mit der Deutung, der Bilder, die er fast komplett schwärzt, um nur noch mit dem Schein zu arbeiten, macht er sich zum Therapeuten. Er entwickelt, hier Gesichter, Figuren, Gegenständliches, Abstraktes oder Reales und überlässt jedem selbst die Freiheit der Interpretation. Es ist Dunkel und oft geht es um das „shinning“.

Es ist viel weniger gegenständlich als seine vorigen Werke, es ist nicht mehr der King Kong, der die Twin Tower einreißt. Die Bilder sind genauso in sich gekehrt wie ausdrucksvoll, sie wirken kindlich, doch nicht zu verwechseln mit Naiv. Sie sind perfekt situiert und voller Zwänge. Die Wunderlichen Bilder wissen genauso gut was sie wollen, wie Felix selbst. Seine Bilder sind selbst wie er sagt eher der Schrecken eines David Lynch Films. Die ganze Kafka-Geschichte ist für ihn erstmal vorbei, er ist jetzt eher der Prophet.

Nach sechs Stunden Psychoanalyse, der Beschreibung des künstlerischen Ödipus-komplexes, jeder Menge gewandter Redewendungen, Ähnlichkeiten, Regen, Donnie Darko, David Bowie, den Dead Kennedys, Antichrist, Kugelschreibern, sind wir an seinem alten Studentenwohnheim vorbei am Ziel angekommen. Wir haben festgestellt, dass zu viele Leute Missbrauch mit der Kunst betreiben, das Ganze dann Filmen und es bei Youporn reinstellen.

Dann hatten wir es geschafft, ich konnte meine Frau endlich in den Arm nehmen und Felix seine Bilder nach Düsseldorf fahren. Ich musste leider 12 Stunden später schon wieder nach Hause. Die Mitfahrgelegenheit war weniger interessant, hier war nur fragwürdig, ob ich die Fahrt überlebe…

Text Ronny Schröder

felix-wunderlich.de 

Die Kunstagenten Berlin

Galarie Schuermer Karlsruhe

Galarie Clara Maria Sels

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Redaktion

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