Vor einiger Zeit, bei einem von unseren unzähligen Interviews mit Berliner DJ-Größen, wurde die Frage gestellt: “Was macht eigentlich eine gute Party aus?”, die Antwort des DJs: “Die Pille macht die Party”. Das war irgendwie unbefriedigend. Aber Drogen, angefangen bei Bier und Kippen, bis zu illegalen Substanzen, sind auch in meinem Bewusstsein fest im Partykontext verankert und ausschlaggebend für die besondere Dynamik, die das “feiern” vom Alltag unterscheidet.
Feste und in einem gewissen Maß auch Drogen sind wichtige Katalysatoren für das Sozialverhalten.
Menschen haben natürlich schon lange bewusstseinsverändernde Substanzen eingenommen und Feste gefeierte bei denen, die im Alltag herrschenden Konventionen endlich gebrochen werden dürfen. Trotzdem, irgendwie sind wir anders.
Berlin hat Standortfaktoren, die das Erschaffen einer Welt begünstigen, die sich sehr von ihren Vorgängern unterscheiden. Das Leben in Berlin ist billig und es gibt tatsächlich immer eine Party.
Anders als bei anderen Generationen, den meisten Ländern und Metropolen, ist in Berlin das Verhältnis zwischen Arbeit und Lebensqualität einzigartig günstig. Was den Berlinern einerseits große Freiheiten einräumt, andererseits aber auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung abverlangt, der einige nicht gewachsen sind. Mit etwas Geld vom Staat einem Nebenjob und ein paar Kontakten ist es leicht den Großteil der Woche zu “verfeiern”.
So werden Feste, die eigentlich Ventil und Zäsur des Alltags sind, zum Alltag selbst.
Den Reiz der Feste, die alltägliche Grenzüberschreitung und kritiklose Selbstverwirklichung ist vor allem der Einnahme selbstbewusstseinserweiternder und Angst hemmender Drogen zu verdanken.
Es wird viel erlebt, man lernt viele Leute kennen und erzählt Freunden Dinge, die man ihnen im Alltag nicht sagt. Die Hemmschwelle für soziale Interaktionen ist sehr gering, darum passiert so viel. Aber man feiert mit gedopter Persönlichkeit.
Es wird im Anderen ein Bild der eignen Person erzeugt, das selbstständig, nicht aufrechtzuerhalten ist. Als ich neulich einen Freund fragte, ob seine Bekannte immer so schlecht drauf ist, meinte dieser – “sie lacht nur, wenn sie feiert”. So entstehen viele oberflächliche Bekanntschaften, die selten den Weg in den Alltag schaffen und oft der eigenen Profilierung dienen.
Das Selbstbewusstsein ist künstlich und kann den Alltag zwischen den Festen allmählich nebensächlich oder gar zur Hölle machen. Bei Feiern werden die Probleme im gemeinschaftlichen Konsens ausgeblendet, um die Atmosphäre nicht zu zerstören.
Es entsteht ein Wettbewerb darum, wer am ausgiebigsten feiern kann, ohne dabei seinen Alltag zu stark in Mitleidenschaft zu ziehen. Oft ist es dieser Anschein, der Außenstehenden die Entscheidung zum Konsum so leicht macht, da die Folgen nicht einzusehen sind.
Der Übergang zwischen gelegentlichem Konsum zum festen Bestandteil des Lebens kann man nicht immer wahrnehmen. Das Zitat “Wenn man aufhören kann, will man nicht. Wenn man aufhören will, kann man nicht.” trifft hier leider oft genug zu.
Der Einstieg zu härteren Drogen ist gerade in der Berliner Clubszene sehr leicht, weil der Konsum inzwischen ein fester Bestandteil der Feierkultur geworden ist. Das Bild des Drogensüchtigen hat sich verändert, Abhängige verkehren im selben Milieu und sind nicht mehr die gesellschaftlich geächteten Junkies aus der Generation unserer Eltern.
Jeder kennt sich selbst und seinen Körper natürlich am besten und ein erhobener Zeigefinger hat in solchen Fällen noch nie etwas genutzt. Es ist aber sicher nützlich über das eigene Konsumverhalten, ob es jetzt Alkohol oder Härteres ist, zu reflektieren und die Verknüpfung Party und Drogen etwas aufzulockern. Im Anschluss wollen wir über eine der gängigsten Partydrogen etwas Aufklärung leisten.
Text Moritz Stellmacher
Hallo Prof. Quednow, stellen Sie sich doch kurz vor und erzählen uns, woran Sie gerade arbeiten.
Mein Name ist Boris Quednow, ich bin Assistenzprofessor und Arbeitsgruppenleiter an der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich. Ich habe zunächst Pharmazie und dann Psychologie studiert und interessiere mich vor allem für die Neuropharmakologie psychischer Prozesse und damit zusammenhängend forsche ich über die Folgen des Konsums illegaler Substanzen. Ein Schwerpunktthema ist seit langem Ecstasy, ich habe über die Folgen des Konsums promoviert, damals noch in Bonn. In der Folge habe ich eine weitere große Ecstasy-Studie hier in Zürich durchgeführt, die aber momentan noch nicht publiziert ist.
Was ist MDMA und was löst es chemisch, psychisch und physisch aus?
MDMA ist ein substituiertes Amphetaminderivat, das heißt, die Grundstruktur ist ein klassisches Amphetamin, das etwas verändert wurde. Diese kleine Veränderung bewirkt aber, dass etwas ganz anderes passiert als beim reinen Amphetamin. Die Wirkung sieht so aus: Stellen sie sich eine synaptische Reizübertragung vor, d.h. an einer Synapse, wird ein Botenstoff ausgeschüttet, der über den synaptischen Spalt zur gegenüberliegenden Membran der nächsten Nervenzelle wandert und dort an Rezeptoren bindet, wodurch die Information weitergeleitet wird. An der Membran der Synapse befinden sich Transporter, die normalerweise dafür sorgen, dass der Neurotransmitter, der ausgeschüttet wurde, auch wieder zurück aufgenommen und damit sozusagen recycelt wird. Diese Transporter werden vom Ecstasy nun bei einem bestimmten Botenstoffsystem, dem Serotonin-System, nicht nur blockiert, sondern praktisch umgedreht. Dieser Mechanismus führt dazu, dass ein Großteil des gespeicherten Serotonins ausgeschüttet wird und für längere Zeit im synaptischen Spalt verbleibt. Die Wirkung führt vor allem zu einer Antriebssteigerung wie auch zu starken emotionalen Veränderungen und. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass es oft zu einer starken Verringerung von Ängsten kommt und gleichzeitig ein emotionales Sichöffnen möglich wird. Deshalb wird diese Substanz auch zu der Gruppe der Entaktogene gezählt. Diese Substanzklasse hat man geschaffen, weil man eine Wirkung beschreiben wollte, die zwischen den Stimulanzien und Halluzinogenen liegt. MDMA hat von beidem etwas. Es hat eine ganz leichte halluzinogene wie auch eine stimulierende Wirkung. Es hat aber als darüber hinausgehende Qualität einen starken emotionalen Effekt und eine starke Euphorisierung.
Wenn sie von Ecstasy reden meinen sie da auch MDMA, ich meine es gibt ja einen Unterschied vonMDMA und Ecstasy und bei Ecstasy weiss man ja weniger, was da drin ist.
Tatsächlich waren über einen ganz langen Zeitraum, fast über die zweite Hälfte der Neunziger und über die erste Hälfte der 2010er Jahre, die Ecstasy Pillen sehr rein. Das heißt, dass über 95% der Pillen ausschließlich MDMA enthalten haben. Das unterdessen die Pillen tatsächlich weniger rein geworden sind, ist ein Problem der letzten fünf bis sechs Jahre, in welchen immer öfter bestimmte Beimengungen aufgetaucht sind. Das mag zum einen daran liegen, dass ein Grundstoff, den man zur MDMA-Herstellung benötigt, das Safrol, schwerer zu beschaffen war, da die USA großen Druck auf Länder wie China ausgeübt hat und so das Safrol, nicht mehr so einfach von den Drogenlaboren eingekauft werden konnte. Mittlerweile hat sich die Lücke wieder geschlossen und das Safrol kommt heute wahrscheinlich aus Westafrika. Zumindest in Zürich gibt es daher momentan wieder den Trend hin zu reineren Pillen. Auch wenn die Ecstasy-Pillen erstaunlich rein sind, besteht nach wie vor das Problem, dass es natürlich immer wieder einzelne „unreine“ oder massiv überdosierte Pillen gibt und der Konsument tatsächlich nie weiß, ob er eine Pille gekauft hat, die auch Substanzen enthalten kann, die er definitiv nicht nehmen möchte. Allerdings muss ich noch anfügen, dass auch das, was als kristallines MDMA verkauft wird, nicht immer MDMA ist. Auch hier gibt es immer wieder Proben, die etwas anderes enthalten, als das, was der Verkäufer angegeben hat. Dennoch können wir im Rahmen unserer Forschung davon ausgehen, dass die Mehrzahl der kristallinen Form und der Ecstasy-Pillen in der Regel MDMA enthält, deswegen verwenden wir diesen Begriff Ecstasy und MDMA meistens synonym.
Gibt es Ursachen dafür, dass Botenstoffe wie Serotonin gebildet werden?
Nein. Wir brauchen Serotonin permanent. Serotonin gehört zu den ältesten Neurotransmittern. Alles was ein Nervensystem hat – auch eine Nacktschnecke – hat wahrscheinlich auch den Botenstoff Serotonin. Im menschlichen Gehirn ist Serotonin wirklich einer der verbreitetsten Neurotransmitter, und eigentlich in allen Hirnarealen in großer Menge zu finden. Serotonin spielt wirklich bei ganz vielen, eigentlich bei allen Hirnfunktionen eine Rolle.
Wird bei einer erhöhten Ausschüttung, die z.B. durch Drogen induziert wird später auch mehr Serotonin gebildet, oder wird es immer nur zyklisch neu gebildet?
Bei MDMA wird viel Serotonin ausgeschüttet und es hat noch eine andere etwas fatale Wirkung,MDMA hemmt die Tryptophanhydroxylase. Dies ist ein Enzym, was bei der Synthese von Serotonin eine große Rolle spielt, d.h. MDMA führt auch dazu, dass für eine gewisse Zeit weniger Serotonin neu gebildet wird. Das hat zur Folge, dass nach Abklingen der akuten Wirkung, aber auch noch Tage danach, ein Serotoninmangel-Symptom eintritt. Das kennen viele Konsumenten als Mid-Week-Blues, das heißt, wenn am Samstag Party war, fühlen sich viele der Konsumenten gegen Dienstag, Mittwoch depressiv, ängstlich und antriebsgemindert. Bei den meisten klingen die Symptome dann zum Ende der Woche wieder ab, weil der Körper dann neues Serotonin gebildet hat und der Haushalt sich wieder reguliert. Es gibt eine akute Wirkung, eine post-akute Wirkung und eine chronische Wirkung, wobei dieser Mid-Week-Blues noch in die post-akute Phase fallen würde. Bei der chronischen Wirkung geht es dann darum, das haben verschiedene Studien nahe gelegt, dass es auf Dauer tatsächlich zu einem anhaltenden Serotonin-Defizit kommt.
Wie sehen Langzeitschäden aus?
Es gibt Folgen des Ecstasy-Konsums die weitgehend gesichert sind, wo aber die Ursachen nicht ganz klar sind. Aber wir wissen, dass intensive Ecstasy-Konsumenten, wenn sie eine bestimmte Zahl von Pillen überschreiten mit großer Wahrscheinlichkeit moderate Gedächtnisdefizite entwickeln. Wir haben eine Stichprobe von Ecstasy-Konsumenten untersucht, die im Mittel 23-24 Jahre alt war aber Gedächtnisleistungen zeigten wie man sie bei 60 Jährigen erwarten würde. Das hat uns schon recht beeindruckt. Auch in der Stichprobe, welche ich hier in Zürich erhoben habe und welche im Mittel noch mehr MDMA konsumiert hatte, waren die Gedächtniseffekte wirklich sehr ausgeprägt. Die Effekte in anderen kognitiven Bereichen, wie z.B. den höheren Planungsfunktionen, fallen hingegen weit geringer aus. Das Problem ist, das wir nach wie vor nicht wissen, was mit diesen intensiven Konsumenten eigentlich später passiert, selbst wenn sie – wie die meisten – jenseits der 30 von alleine aufhören Ecstasy zu konsumieren. Was passiert mit deren Gehirnen 30 Jahre später, wie sieht deren Gehirn mit 60 aus? Hat sich da alles erholt oder zeigen diese Konsumenten beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Demenzen? Das wissen wir noch nicht, weil es die Substanz noch nicht so lange gibt. Das ist völlig unterforscht, wir wissen nichts über die tatsächliche Langzeitwirkung am Menschen.
Gibt es noch andere Langzeitschäden, wie zum Beispiel langfristige Depressionen?
Ja das ist ganz spannend, aber da gibt es bis heute auch keine wirklich guten Daten. Die ersten Studien hatten gezeigt, dass Ecstasyuser tatsächlich ein erhöhtes Risiko für Angsterkrankungen, Depressionen und Psychosen haben sollten. Es gab aber eine sehr gute Längsschnittstudie des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München, in welcher Schülern über einen längeren Zeitraum begleitet wurden. Diese Studie hat gezeigt, dass bei Ecstasy-Konsumenten mit psychischen Problemen diese Probleme schon vor dem Konsum bestanden haben, d.h., dass die, die angefangen haben zu konsumieren auch die waren, die vorher schon Anzeichen für psychische Veränderungen gezeigt hatten. Man konnte hier also nicht bestätigen, dass das Ecstasy hierfür verantwortlich ist, sondern die Probleme waren offenbar vorher schon da. Dann gibt es andere Studien, die sich große Populationen von Drogenkonsumenten angeschaut haben und das Auftreten von Depressionen in Bezug auf verschiedene Konsummuster untersucht haben. Hier war es eher der Cannabiskonsum der mit affektiven Problemen einherging und weniger das MDMA. Auch ein polytoxikomaner Drogengebrauch, also ein intensiver Mischkonsum vieler verschiedener Substanzen, war mit einem sehr hohen Risiko für psychiatrische Erkrankungen verbunden. Wobei hier natürlich die Richtung des Zusammenhangs unklar ist. Es ist ja wahrscheinlich, dass jemand der sehr wild durcheinander konsumiert möglicherweise vorher schon psychische Probleme mitbringt. Insgesamt ist dies alles bis heute nicht gut untersucht. Rein theoretisch würde man davon ausgehen, dass Ecstasy-Konsumenten langfristig eine höhere Gefährdung für psychiatrische Erkrankungen haben sollten, insbesondere im affektiven Spektrum und im Angstbereich, da das Serotoninsystem durch das MDMA nachhaltig beeinflusst zu werden scheint. Aber der Zusammenhang ist bis heute nicht ausreichend gezeigt worden.
Text Moritz Stellmacher
Grafik Vinzent Britz
Moritz Stellmacher
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