Manchmal kommen sie wieder – David Hasselhoff in Berlin

von Daniel Penk


Mein Weltbild als Grundschüler Anfang der 90er war klar definiert. Hulk Hogan war erwiesenermaßen der stärkste Mann der Welt, der Turtles-Film die Krönung cineastischen Schaffens und David Hasselhoff die coolste Sau unter der Sonne. Der Konsens-Künstler aller Schulhöfe. Mit aufgeknöpftem Hemd und perfekt sitzender Fönfrisur strahlte er mich damals von unzähligen Postern in meinem Zimmer an. Mein erster in phonetischer Lautsprache vorgetragener englischer Satz war „I’ve been looking for Freedom“ oder so ähnlich zumindest. Erstaunt über die prerevolutionären Gedankengänge ihres Jungen, begleitete meine Mutter mich sogar auf ein Hasselhoff-Konzert. Wenn es noch eines Beweises der bedingungslosen Liebe einer Mutter zu ihrem Kind bedurft hätte, dann ist er das. Euphorisiert und der festen Überzeugung mit 11 Jahren den Höhepunkt meines Daseins auf Erden erreicht zu haben, sang ich alle Songs lauthals mit. „Do the Limbo-Dance“, „Crazy for you“, „Is everybody happy?“. Sorry, Mum. Immerhin ist Matthias Reim nahezu unbeeindruckt an mir vorbei gegangen. Fast zwei Jahrzehnte und mehrere Betty-Ford-Klinik Aufenthalte später singt Hasselhoff wieder in Berlin. An der Mauer hatte er 1989 mit Glühlämpchenjacke und Pianoschal seinen größten Auftritt. In keinem Land war er erfolgreicher. „Looking for Freedom“ war unglaubliche 25 Wochen die Nummer 1 der deutschen Charts und kein anderer schaffte es in den 90ern häufiger auf das Cover der Bravo. Mein persönliches Wiedersehen mit dem „most watched TV-Star“ ist also nur eine kleine Geschichte in der gesamtdeutschen Vergangenheitsbewältigung mit Hasselhoff. Die Plakate am Tempodrom versprechen: The Hoff is back.

Meine Erwartungen an den Abend sind dann doch eher bescheiden. So recht kann ich mir nicht vorstellen, dass Hasselhoff noch für diese Momente frühpubertärer Glückseligkeit sorgen kann. Die meist männlichen Besucher, die ich vor der Halle entdecke, sind ungefähr in meinem Alter, machen aber den Eindruck vor Kurzem noch mit dem Lötkolben ihr Moped frisiert zu haben. Ein Bild schießt durch meinen Kopf: Reisebusse aus Süd-Brandenburg! Ich gehe zum Bierstand und entdecke eine Gruppe Männer mit Hasselhoff-Masken. Wir prosten uns bewusst freundschaftlich zu und stimmen die ersten Zeilen von „Hooked on a Feeling“ an. Wir sitzen hier alle im selben Boot. Eine nostalgische Fahrt durch seichte Gewässer, vorbei an längst verstaubten Kindheitserinnerungen. Das denke ich! In Wahrheit ist es die Ruhe vor dem Sturm.

Kurz vor der Show dann der Moment für den ich vor 15 Jahren meine komplette Panini-Sammlung geopfert hätte. Ich erhalte Zutritt zu seiner Garderobe. Da steht er nun, der Held meiner Kindheit, begrüßt mich freundlich und für einen kurzen Moment bin ich wieder 11 Jahre alt. Er verspricht mir eine „great party“ und wir machen schnell ein paar Fotos für die Ewigkeit. Das ist nicht mehr der Mann, der einst auf meinen Postern war, aber er hat sich, wie man so schön sagt, gut gehalten. Kurze Irritation dann als ich ihm die proud in die Hand drücke. „Is this a gay magazine?“ fragt er sichtlich amüsiert und ich habe auch den Eindruck dass er mich noch einmal genauer mustert. Mein Versuch ihm zu erklären um was es sich handelt, wird in einem kurzen „Ah, cool“ erstickt. Ein einfaches „No“ hätte hier also gereicht. Er hätte wohl auch die „Bäckerblume“ in die Linse gehalten. “Enjoy the show!“ gibt er mir zum Abschied noch auf den Weg und es scheint so als wäre nie etwas gewesen. Keine Alkoholexzesse, kein Scheidungskrieg, kein entwürdigendes Burgervideo. Alles easy.

Für viele Konzertbesucher waren diese Skandale jedoch eher ein Grund für den Ticketkauf als dagegen. Es ist die Faszination eines vom Leben angeschossenen TV-Helden.

Pünktlich um 8 Uhr beginnt der Baywatch-Star die Show mit seinem größten Hit. In großer Pose und Gene Simmons-Gedächtnis Stiefeln starkst er eine beleuchtete Showtreppe hinunter, die so aussieht als hätte man sie aus den Restbeständen von „Ein Kessel Buntes“ übernommen. Das Publikum ist sofort da. Hier herrscht jetzt Ausnahmezustand irgendwo zwischen Oktoberfest und betrieblicher Weihnachtsfeier im Endstadion. Herrenlose, alkoholisierte Endzwanziger mit Brusthaartoupet und Rettungs-Bojen tanzen Polonaise. Kritisch beäugt von denen, die immer zu ihrem Idol gehalten haben. Den treuen Langzeitanhängern, denen bei Schmachtfetzen wie „Flying on the wings of Tenderness“ immer noch die Tränen in die Augen steigen. Aber die Ironiker sind in der Überzahl und der 58jährige, der in Deutschland früher 70.000 CDs am Tag verkaufte, liefert was sie hören wollen. Die Songs klingen wie deutsche Schlager übersetzt ins Englische mithilfe des Google Translators. Und alle grölen mit. Eine Schar aus Tänzern umschlängelt ihn auf der Bühne, während von der Hallendecke riesige Strandbälle fallen und muskelbepackte Feuerspucker ihr Unwesen treiben. Musikalisch unterlegt mit Titeln wie „Pina Colada Girl“(kein Witz) oder „Everybody Sunshine“. Menschen, Tiere, Sensationen.

Es ist ein exzessiv übertriebener Starkult vergleichbar mit skurilen Youtube-Stars, bei denen man nicht so recht weiß ob das nun ernst gemeint ist. Hasselhoff meint es ernst. Er braucht die Bühne und er hat ein neues Publikum gefunden. Ein Fan mit Lockenperücke hält ihm ein Burger-Plakat entgegen. Bei Ticketpreisen ab 50 Euro wird jedoch nicht klar, wer hier gerade wen verarscht. Die wenigen Momente, in denen kein Musikantenstadlkompatibler Mitklatsch-Beat durch die Halle dröhnt sind die musikalisch erträglichsten. Die Sinatra-Ballade „This time around“ zeigt dass er durchaus ein ernstzunehmender Sänger sein könnte, aber so wirklich interessiert das hier nur die Wenigsten. Also schnell wieder zum Kerngeschäft: „Limbodance!“ Ursprünglich sollte Hasselhoff auf der Tour von seinen Töchtern unterstützt werden. Diese Idee verwarf man allerdings wieder, als es bei den ersten beiden Konzerten Buhrufe und Bierbecher für die beiden It-Girls aus Hollywood hagelte.

Der Mythos David Hasselhoff erlaubt keine Nebenschauplätze. Zu fast jedem Gassenhauer gibt’s ein neues Outfit zu bestaunen. Hoff in Glitzerweste, Hoff im Miami-Vice-Anzug, Hoff als Bademeister. Wahnsinn. Frenetisch umjubelt sind hier sogar die Umzugspausen, in denen die Titelmelodien von Baywatch und Knight-Rider auf den Videoleinwänden eingespielt werden. Auch alte Videos seiner Hits werden hier noch einmal zweitverwertet. Der Clip zu „Hooked on a Feeling“ lässt MGMT dabei aussehen wie ein harmloser Pfadfinderverein und hat das Potential zum Afterhour-Klassiker. Hoff on Acid. Zur Ruhe kommt hier keiner.

Nach 2 Zugaben und fast 3 Stunden Dauerbespassung ist das Spektakel beendet und im Foyer geht die Party mit Hasselhoff-Sprechchören weiter. Ich verlasse die Halle, vorbei an K.I.T.T, dem sprechenden Superauto aus Knight Rider. In der Fernsehserie rettete der schwarze Trans Am seinen Kumpel Michael Knight regelmäßig aus den brenzligsten Situationen. Heute ist er sprachlos. Das Tempodrom erinnert mich von außen an ein überdimensionales Zirkuszelt. Eine passendere Location hätte man wirklich nicht finden können.

Daniel Penk

 

Daniel Penk

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