Im Hause Dial gibt man sich zwischen temporärem Ladengeschäft am Savignyplatz und huldigenden Chicago House-Referenzen ja gerne betont bürgerlich bis traditionsbewusst. Dagegen ist nichts einzuwenden, auch wenn böse Zungen behaupten, man habe es hier mit Feuilletontechno für Leute zu tun, die im Grunde gar keinen Techno mögen. Gegen dieses schwache Argument lässt man am besten die meist sehr gehaltvollen Releases und ihren stringent-visionären Soundentwurf für sich selbst sprechen.
Blöd nur, dass der bewährte Labelsound zwischenzeitlich etwas blutleer geworden und in Überraschungsarmut festgefahren war. Nun erweist sich der junge Amerikaner und Wahlberliner John Roberts als außerordentlicher Glücksfall für das mittelständische Deephouse-Unternehmen von der Elbe. Nach zwei bemerkenswerten 12″ auf Dial und der herausragenden “Blame” EP auf Laid Records waren die Erwartungen für die Debüt-LP naturgemäß hoch. Legt man “Glass Eights” auf, so wird man von einer ähnlich erhebenden Stimmung ergriffen wie damals beim ersten Hören von “The Absence of Blight” von Lawrence. Nur zu gerne lässt man sich von den Tracks in eine neoromantische Gegenwelt entführen, deren musikalische Qualitäten im besten Sinne zeitlos sind. Die Tracks oszillieren dabei gekonnt zwischen schüchternen Klangskizzen und der fragilen Euphorie einer eher nonchalanten als kathartischen Bassdrum. Von besonderem Reiz sind die wundervollen Piano-Impromptus, welche das perkussive Gerüst der Tracks mit ganz speziellem Sentiment bereichern, jedoch niemals überfrachten.
Genau das bereitet an der Musik von John Roberts so große Freude: Bei aller ausgefeilt instrumentierten Feinheit des Geräusch-Überbaus behält er auch die treibende Funktionalität seiner Tracks im Auge. Niemals degeneriert sein Sound zum selbstgefälligen Kunsthandwerk. Ein wahrlich nicht einfacher Balanceakt, dessen Gelingen die Platte sowohl auf der Tanzfläche als auch als kammermusikalisches Hörspiel für die behaglicheren Stunden zu Hause funktionieren lässt. Hätte Schubert seine “Moments musicaux” für den Club komponiert, so müsste es wohl tatsächlich geklungen haben.
[soundcloud]http://soundcloud.com/audision/audision-aurora-john-roberts-remix[/soundcloud]
Daniel Felleiter
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