Die Pille flog, sich stetig um 360 Grad drehend, quasi schwerelos, in der Luft. Die Kamera wanderte um mich herum, sie blieb stehen. Closeup. Matrix- Effekt…
Von der Seite kommt ein verrückter Shaolin Mönch mit langen schwarzen Haaren und Zöpfen an den Ohren ins Bild gerast, mit einem sut cuter tritt er in feinster 1000-Bilder-die-Sekunde- Slo-mo die Pille an den Zähnen vorbei Richtung Darmeingang.
Eingetaucht schwimmt der kleine blaue Delfin Richtung Magengrube, um dort seine kleine Show vorzuführen. All die schönen Tricks, der doppelte Salto und wie einer auf ihm reitet. Um das Becken herum stehen kleine Kinder, die ihn als den perversen Flipper bezeichnen, den sie als die pädophile Labertasche kennen und zum Schluss der große Stunt: Der phänomenale Sprung durch den brennenden Reifen.
Doch das, wofür der Delfin eigentlich ausgebildet wurde, ist den Weg zum geheimen Serotonin-Tresor zu finden. Also nimmt der blaue Säuger Reißaus über die Blutbahn und versucht sich durch den Lüftungschacht vorzuarbeiten. Dort angekommen knackt er mit einem angenehmen Lächeln das Schloss und das kleine rosane Sparschwein wird mit einem Hammer zerschlagen und auf der Welle, die dadurch ausgelöst wird, reitet der Delfin aus meinem Kopf. Ausblende.
Da stehe ich nun, einundzwanzig Jahre alt, fühle mich unbekleidet, die Zeit steht einen kurzen Moment still. Das ansteigende Rauschen des Meeres lässt mich vermuten, dass ich bald bis zum Kopf im Wasser stehe. Und der Kick setzt wieder ein. Fünfhundert oder sechshundert Menschen reagieren gleichzeitig und reflexartig auf den Beat. Herzryhtmus. Eine kurze Anekdote eines Gastes:
„So viele Menschen sagen immer, dass sie mit Techno nichts anfangen können, doch reagieren tun sie alle irgendwann. Das ist wie im Urwald, wenn afrikanische Völker anfangen, auf Hölzern rumzuhauen und sich in Trance zu tanzen.“
Da stehe ich nun, die Wellen durchwandern meinen Körper, alles wirkt so unsagbar attraktiv. Such dir den Punkt X. Den Schnittpunkt der Diagonalen auf dem die Anlage gerichtet ist. Wir sind in einem alten Rechenzentrum der Stadt. Der Saal wurde mit viel Mühe in das Innere eines feuerspeienden Drachens verwandelt. Es brodelt, es kocht, die Körper sind nahe an dem Punkt angelangt aufzugeben.
Aus einem Gespräch zweier Gäste:
„Siehst du die da vorn, die hab ich vor drei Tagen im Ballhaus schon gesehen.“
„Apropros, ich glaub, ich muss nun auch mal nach Hause, meine Mutter kriegt sonst wieder nen Anfall, wenn ich drei Tage lang unterwegs bin.“
Die Nacht hat sich ergeben und ist wie ein Aufgeschrecktes Reh geflohen. Im Dickicht der Nacht versucht es sich zu verstecken doch nun steht die Sonne soweit am Himmel das nichts mehr zu verstecken ist. Nach und nach kleckern immer mehr der weißen zurückentwickelten Wesen aus der großen grauen Box. Wie ein noch eben gefangener Schmetterling, der noch benommen aus seinem Gefängnis, dem Glas, befreit wird. Sie breiten Ihre Flügel aus und brauchen mindesten ein, bis zwei Stunden Tageslicht, um wieder an Farbe zu gewinnen. Die Idiotie, die hinter all dem steht, ist das alle denken, sie wären achso Bunt, doch nach 36 Stunden ist selbst die neonfarbene Leggings mehr grau als neongrün. Die Haare sind zerzaust, das Gesicht hat keine Farbe mehr. Eine oft unterschätze Reaktion ist, dass wenn man plötzlich in all das Licht gestoßen wird, man sich vorkommt wie ein überlichteter Film und mit all dieser frischen Luft kommt der Delfin den selben Weg wieder zurück, wie er zuvor gegangen war.
Text Ronny Schröder
Layout Vinzent Britz
Vinzent Britz
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