Keinemusik. Was vor einigen Jahren als Sammelbegriff diente, für alles was nicht Hip Hop war, ist inzwischen ein Label geworden, dass bereits mit den ersten Veröffentlichungen beachtliche Erfolge feiert. Spätestens seit dem Clubhit „F.I.R.“ vom &me steht Keinemusik auf der Liste weltweit gefragter DJs. proud traf sich mit Rampa, &me und Adam Port um mehr über die Anfänge des Labels zu erfahren.
Seit wann gibt es euer Label?
Jetzt etwa einem Jahr. Seit Februar 2009. Davor bestand es schon als Crew und Plattform. Dass wir wirklich gesagt haben wir bringen Platten raus und nehmen alles ein bisschen ernster war so letztes Jahr.
Wie seid ihr auf den Namen gekommen?
Rampa: Den Namen gibt es schon länger. Eigentlich schon ewig.
&ME: Ich glaube, da kannte ich dich noch garnicht.
Was ist die Geschichte dazu?
Rampa: Ich habe früher viel Hip Hop produziert, aber nebenher immer schon andere Sachen. Auch schon elektronische Sachen. Und alles, was nicht Hip Hop war, war „Keinemusik“.
Adam: In deinem Projektordner oder was?
Rampa: Ja, das war dann auch eine Plattform. Der David Mayer von uns, den ich auch schon sehr lange kenne, hat auch viel jazziges und funkiges Zeug gemacht. Das war da auch alles mit drin. Die Grundform existiert also schon länger. Seit 2007 hat es sich dann immer mehr gefestigt.
David Mayer – Blank Sheets by Keinemusik
Hip Hop gibt es gar nicht mehr bei euch?
Hip Hop gibt es gar nicht mehr.
Schade.
&ME: Wir hören das schon noch gerne.
Adam: Für DJs ist Hip Hop eine Sackgasse. Wenn du kein MC bist geht es ab einem bestimmten Punkt nicht weiter.
Rampa: Als Produzent kannst du es schon machen. Einige Leute mit denen ich angefangen habe produzieren noch viel Hip Hop bzw. Pop, aber mir hat das einfach irgendwann nichts mehr getaugt. Ich hab mich da inzwischen rausgemogelt.
Ihr habt also alle den Hip Hop Background?
&ME: Ich kenne Gregor (Rampa) noch aus der Hip Hop Zeit.
Rampa: Als Adam das erste Mal bei mir war, haben wir auch noch gescratcht. (alle Lachen)
Adam: Man hat so viel Zeit investiert ins Scratchen, was dir nichts gebracht hat. Hätte man das mal ins Produzieren gesteckt.
Rampa: Ich habe neulich mit meinem Mitbewohner, der nie vom Hip Hop weggekommen ist, Hip Hop aufgelegt. Das war eigentlich ziemlich geil zur Abwechslung. Man hört halt immer noch die glei- chen Sachen.
Rampa: Stimmt, wir haben eins zu eins das gespielt, was wir auch schon vor sechs Jahren gespielt haben.
&ME: Aber man will auch nichts anderes hören.
Adam: Es gibt viel zu wenig Leute, die sich wirklich voran entwickelt haben. Außer so Sternstunden wie Pharell oder Lil Wayne. Mit denen kannst du aber auch keinen Abend mehr füllen. Concious Zeug kann man ja auf Partys auch nicht spielen.
&ME – Empire State by Keinemusik
Wieso?
Adam: Einfach zu unclubbig. Deswegen wandern die ganzen Hip Hop DJs auch zum Funk, oder zum Techno. Du kannst entweder tiefer in der Materie graben und die Wurzeln erkunden, oder du wirst elekronisch, was einfach zeitaktueller ist.
Seit wann seid ihr eine Posse?
Adam: Seit anderthalb jahren vielleicht? Ich habe Gregor kennen gelernt über einen Bekannten. Ich mochte ihn damals nicht. Was ist das für ein Idiot, dachte ich. Dann haben wir uns nochmal normal unterhalten, als ich im 103 gespielt habe. Damals fiel auch schon der Name „Keinemusik“. Dann ist aber lange Zeit gar nichts passiert. Wir haben uns erstmal beschnuppert, ob es passt.
Wann seid ihr richtig durchgestartet?
Mit dem Start des Labels? So richtig geknallt hat es mit der zweiten, der „F.I.R.“. Seitdem hat sich auf jeden fall einiges verändert. Santé hat uns ins Souvenir Booking geholt und man kann allgemein leichter mit Leuten in Kontakt treten. Letzendlich ist die Kommunikation das was zählt. Man kommt mit Leuten schneller in Kontakt, weil sie dein Release kennen. Das war vorher nicht so.
Dass sie auf Demos regieren?
&ME: Genau. Worauf sie sonst nichtmal antworten würden.
Adam: Das ist ein großes Problem, mit dem Demozeug. Damals, als ich mit Liebe*Detail im Kontakt war haben die 300 Demos pro Woche bekommen. Klar, dass das da etwas unter den Tisch fällt. Wie willst du das in der Menge qualitativ durchhören? Unglaublich.
Und wie ist das bei Keinemusik? Kriegt ihr da jetzt auch unendlich viele Demos?
Ja. Wir haben auch sogar ziemlich viele geile bekommen, die im nachhinein wahre Chartbomben geworden sind. Aber wir bringen erstmal nichts von anderen Leuten heraus. Als DJ ist es natürlich toll unveröffentlichte Platten zu bekommen, die gut funktionieren, aber wir wollen erstmal nur unsere Sachen rausbringen. Ürsprünglich war es ja nicht als Label gedacht, sondern als Plattform um Releasen zu können.
Wieviele gehören zu Keinemusik?
Rampa: Als Produzenten sind wie zu viert. Ich, Adam, Andre und David. Dann gibts noch den Reznik. Der legt nur auf, will sich jetzt aber auch an das Produzieren heranwagen. Dann gibt es noch die Monja, die macht die ganze Grafik.
Wenn ich jetzt einen geilen Track hätte und auf Keinemusik veröffentlichen wollte?
Tja, dann müsstest du erstmal jeden Tag mit uns abhängen. Wir haben, um die ersten Platten zu finanzieren, umsonst aufgelegt. Wir haben Keinemusik-Nächte gemacht und die Gagen in den Topf gezahlt. Mit dem Startkapital haben wir die ersten Platten und Aufkleber bezahlt. Jeder einzelne hat selber so viel Energie reingesteckt, für die Plattform, auf der wir jetzt etwas machen können, was im Endeffekt auch gehört wird. Da ist es nicht leicht für Außenstehende rein zu kommen.
Inzwischen warten die Releases darauf raus geschossen zu werden?
Es geht so. Da wir alles ohne Vertrieb machen und uns wirklich selbst darum kümmern in welchen Läden die Platten stehen.
Auch International?
Eigentlich eher Deutschland. Europäischer Raum wird über Juno abgedeckt, aber Hauptaugenmerk ist erstmal hier. Das reicht auch vorerst. Bei den gängigen Downloadplattformen sind wir auch vertreten. In letzter Zeit haben einige Off-Locations Probleme mit den Behörden gehabt.
Was denkt ihr über die Berliner Club Kultur? Wird sich die Situation in den nächsten Jahren verändern?
Also man kann in Berlin schon immernoch am besten feiern gehen. Bei den großen Clubs vermisste ich schon das Untergrundige, aber es gibt schon noch genug gut laufende Clubs, die ich zum Untergrund zählen würde.
Die „Untergrund“-Clubs sprechen sich schnell herum. Die Leute von den ersten Partys, meiden inzwischen die Locations.
Adam: Das ist doch immer der gleiche Scheiß. Erste Platte ist der soo cool und nach vier platten ist der soo scheiße. Da darf man nicht drauf eingehen. Ich glaube Berlin hat genug Freiflächen und Freiräume, dass solche Dinge immer wieder neu funktionieren können. Es gibt so viele möglichkeiten in Berlin. Manche Clubs sind zum dancen, manche zum socialisen.
Rampa – Meggy’s Desire by Keinemusik
Habt ihr musikalischen Präferenzen für 2010?
Rampa: Auf jeden Fall wird es bei mir wieder viel synthetischer. Voll weg vom Organischen. Keine Bongos, keine Shakers.
&ME: Weniger Vocals.
Rampa: Da, wo sich im letzten Jahr alle getroffen haben, geht es jetzt wieder auseinander. Entweder die Leute werden noch souliger, oder noch technoider. Ich persönlich habe gerade wieder Lust auf harten, synthetischen Sound. Also so wenig wie möglich samplen und so viel wie möglich generieren. Zwar immer noch dieses groovige, swingige vom House, aber vom Klangbild her auf jeden fall synthetischer. Und Trommelwirbel.
&ME: Das Frühjahr wird technoider.
Adam: Ich versuch mich nicht fest zu legen. Nicht so „Ey, ich spiel jetzt House“ oder „Ey, ich spiel jetzt Techno“. Wenn es ein geiler Techno Track ist, spiel ich einen Technotrack und wenns eine groovige Housebombe ist, dann ist es auch gut. Der Fluß des Abends muss stimmen. Man sollte versuchen aus diesem kategorisierten Denken auszubrechen. Vielleicht auch mal ein gutes Popstück. Das funktioniert auf jeden fall besser, als zu der Phase, als alle nur strikten Minimal Sound hören wollten. Im Moment sind alle auf House gepolt.
Erzählt doch mal etwas zur nächsten Platte.
Die Keinemusik 005 heißt „Workparty #1“ und wird alle verteten. Wir dachten uns, dass alle, die bei uns produzieren, mal eine Platte zusammen machen. Jeder von uns hat also einen Track gemacht. Da ist für jeden etwas dabei. Rampa happy, David minimal, Andre loopy und trippy und Adam dark und sad. Monja hat wieder das Cover gemalt. Zu dieser Platte packen wir außerdem jubiläumsmäßig ein T-Shirt und einen Beutel dazu.
Aber das wird jetzt keine Modelinie?
Aus unserem persönlichen Bekanntenkreis hatten einfach einige schon gefragt, ob man unsere Designs auch gedruckt bekommen könnte. Und weil wir etwas Besonderes für das nächste Release wollten, haben wir uns für die Gimmicks entschlossen. Die Releasepartys gibt es dann am 23. Februar. Erst im Civilist in der Brunnenstraße und danach geht es ins Cookies.
Mit Labels kann man wahrscheinlich heutzutage nicht mehr so richtig Geld verdienen?
Immerhin mussten wir die KM002 so- 28 CHAT gar fünfmal nachpressen. Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir uns vielleicht auch gegen gestempelte Labels entschieden. Das Stempeln war unsere Hauptbeschäftigung. Stempeln und Päckchen packen. Bei uns ist es so, dass alles was mit dem Label verdient wird auch für das Label verdient wird. Wir stecken also alles wieder rein. Aber wir müssen nicht mehr umsonst auflegen.
Die gestempelten Platten gehören zu eurem Konzept?
Am Anfang wollten wir es so einfach wie möglich halten. Aber wir finden alle, dass es auch cool aussieht. Und irgendwie macht es jede Platte auch zu etwas Persönlichem. Zu wissen, dass die Platte auch wirklich schon durch unsere Hände gegangen ist. Einfach mit Liebe.
Und wie organisiert ihr das Auflegen auf euren Partys?
Bei der letzten Party im Horst haben wir alle immer relativ kurz gespielt. Bei so einer kompakten Zeit kann man auch nicht großartig experimentieren. Man sollte als DJ auch immer versuchen sein Ego zurück zu nehmen. Die Musiknerds verschreckt das dann vielleicht, aber man darf nie vergessen, dass der Hauptteil der Leute einfach tanzen wollen. Denen ist egal, ob du die unreleased C-Seite von irgendeinem Liebhaberlabel spielst. Man muss versuchen den Spagat zwischen Entertainer und Teacher so zu vollbringen, dass keiner die Tanzfläche verlässt. Bei kurzen Spielzeiten ist das besonders schwierig.
Keinemusik Radio Show 23.06.2011 by David Mayer by Keinemusik
Ich selber stecke mir manchmal so kleine Mindestziele. Diese oder jene Platte will ich heute dem Publikum näher bringen und wie komme ich dahin. Wie ist das bei euch?
Adam: Ich halte nichts davon von zu Hause aus mit einem Ziel an die Sache heran zu gehen. Das ist mir zu viel Ego. Hauptziel sollte eine gute Party sein. Man sollte immer vor Ort schauen was möglich ist. Weder den ganzen Abend Egosound noch den ganzen Abend Hits spielen funktioniert. Techno funktioniert besonders deswegen, weil die Leute 6 Stunden und mehr auf dem Dancefloor stehen. Wenn du den ganzen Abend Raketen abfeuern würdest, würde das nicht funktionieren. 6 Stunden Primetime spielst und du kannst die Leute raustragen.
&ME: Wie? Das geht nicht?
Rampa: Doch doch, zur Not macht man einfach lauter.
Adam: Oder Whitenoise drüber.
Keinemusik – Workparty One by Keinemusik
Gutes Stichwort. Wie geht ihr so mit dem klassischen „Machmalauter“ und Hitswünschern um?
Außer ein paar Ausnahmen, die einem dann übers Mischpult zuprosten wollen, oder wollen, dass du aus ihrem Glas trinkst, ist das doch eigentlich ganz nett. Dieser Dialog gehört auch mit dazu. Wenn die Leute sich Hits wünschen, die du schon 40 mal gehört hast, oder um 23 Uhr schon kommen und sagen „Gib ma ein bisschen Gas“ erklärt man die Situation freundlich und weiter gehts im Takt. Genauso wie man auch auf Mails von Fans antworten sollte. Wenn die sich schon die Zeit nehmen dir zu schreiben, ist es ja wohl das Mindeste ein Feedback darauf zu geben. Kennt man ja selber noch von früher, dass es einfach doof ist auf seine Frage keine Antwort, oder eine Reaktion zu bekommen. Wenn man irgendwann so populär ist, dass man keine Zeit mehr dafür hat, ist das etwas anderes. Aber solange das nicht der Fall ist sollte man schon immer Feedback geben.
Habe ich eigentlich noch eine wichtige Frage vergessen?
Willst uns vielleicht noch fragen wie wir produzieren? (Lachen)
Diese beliebte Frage wollte ich mir mal sparen. Kommt ja eh nichts raus.
Eben. Es ist doch klar, dass man keine informative Antwort dazu bekommt. Mucke machen eben. Da gibt es kein „So mache ich dies, so mache ich das“. Es funktioniert jedesmal anders und folgt keinen starren Prinzipien. Die besten Sachen entstehen durch rumexperimentieren.
Geht ihr denn eigentlich noch selber feiern?
&ME: Das hängt davon ab. Wenn man jemand Besonderes spielt, oder einer von dem Homies schon, aber ansonsten bleibe ich auch gerne mal zu Hause.
Adam: Ich gehe eigentlich jedes Wochenende weg. Mich inspiriert das total. Gerade erst letztes Wochenende von Marcel Knopf umgehauen worden, den kannte ich vorher garnicht. Auch fürs Produzieren komme ich dadurch immer wieder auf neue Ideen. Dadurch, dass ich auch nichts trinke und mir nichts reinpfeife, bin ich am Montag dann auch wieder startklar.
&ME: Bei mir ist das auch abhängig von den Jahreszeiten. Im Sommer gehe ich schon recht viel weg. Besonders wenn es irgendwo draußen ist. Da ist es dann auch wieder nebensächlicher wer spielt.
Der Sommer kommt ja sicher bald. Vielen Dank für das Interview. Wir sehen uns dann am 23.2. im Civilist oder im Cookies zur Releaseparty.
Uwe Krass
Layout Vinzent Britz
Till Kolter
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