Insomnichts – wenn Gedanken sich im Nichts verlieren

von Miron Tenenberg


„Denk nicht so viel. Schlaf!“ Es ist drei Uhr dreiundvierzig in der Berliner Platte und ich bin wach. Neben mir ein schnarchendes Baby und ich denke über Arbeitsämter nach. Was ich denen dann sagen will und vor allem – wann. Erstmal muss ich da morgen hingehen. Von acht bis zwölf. Agentur für Arbeit Berlin Mitte in der Gotlindestraße. Die liegt im tiefsten Lichtenberg und ist eine Beleidigung für alle Mitte-Boys. Ich muss zur Akademikervermittlung in den fünften Stock. Da geht es zum Glück ein wenig gesitteter zu, als sonst bei dieser Scheinagentur, diesem Amt.

Schade, dass das Arbeitsamt kein Media Markt ist. Nicht wegen den tollen HiFi-Anlagen, oder den Ausbaumöglichkeiten für meinen Computer. Ich würde lieber auf die Einhaltung des Slogans „Lasst Euch nicht verarschen!“ oder „Ich bin doch nicht blöd!“ klagen. Denn als smarte Agency kann sich der Amtskoloss nun wirklich nicht verkaufen. So ist das, wenn man die Welt verbessern könnte und wach im Bett liegt. Ich glaube, dass Besserwisser vor allem nachts wach im Bett liegen. Damit meine ich nicht, dass es diese nur um solche Uhrzeiten gibt. Aber wenn man mal die alkoholisierten Damen und Herren aus der Nachtwelt streichen würde, gäbe es fast nur Besserwisser unter dem Rest. Obwohl ja auch viele Besoffene mit Wahrheiten strotzen, dass es nur so kracht.

Jetzt werde ich langsam müde und bin gleich wieder eingeschlafen. Vielleicht träume ich erneut von komischen Wurstbescheiden im Kindergarten. Oder auch nicht und mein Unbewusstes verführt mich auf schönste Art und Weise. Über Träume zu spekulieren ist sinnlos. Es gab zwar mal eine Zeit, da habe ich das trainieren wollen, aber als es dann ansatzweise klappte wurde es mir zu gruselig. Ich muss auch nicht alles in meinem Leben bestimmen können. Ich muss es auch nicht wollen. Mal abgesehen davon, dass ich die Hälfte eines Lottoscheins besitze. Da wird noch auf die Million angestoßen und das Arbeitsamt kann mir gestohlen bleiben. Dann werde ich in der Nacht auch nicht schlafen können. Angeheitert werde ich mich hinlegen und mir Gedanken machen. Nur die Gedanken kreisen dann nicht mehr in Lichtenberg. Und ich bin kein Besserwisser mehr. Bonne nuit um halb fünf.

Text Miron Tenenberg

Layout Vinzent Britz

Miron Tenenberg

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