Get metaphysical – a chat with DJ T.

von Lev Nordstrom


Auf nach Mitte. Ich bin früh dran. Das bin ich von mir nicht gewohnt und stehe, etwas peinlich berührt, vor der Haustür von Thomas Koch alias DJ T., den ich in fünf Minuten eine halbe Stunde lang interviewen darf. Ich klingel. Ich betrete seine Wohnung. Ich drücke ihm zwei Ausgaben des proud Magazins in die Hand. DJ T. ist ein Mann vom Fach. Er beäugt unser Magazin. Er schlägt es in der Mitte auf. Er schnuppert dran. „Riecht etwas streng“, meint er. Ich nicke. Ich bitte um ein Glas Wasser. Ich beginne das Interview, ein Interview, das im Endeffekt länger geworden ist als erwartet, viel länger, aber eben auch relevant. Let get metaphysical!

Wie bist du auf die Groove Idee gekommen?

Die erste Ausgabe erschien im Dezember 1989. Ich war damals 19 und DJ. Außerdem war ich ein sehr interessierter Konsument von allem was damals noch unter dem Gesamtüberbegriff „dance“ zusammengefasst wurde. Es gab ein Magazin das Network Press hieß. Aus deren Magazin-Charts sind damals die DDC (Deutsche Dance-Charts) und die DCC (Deutsche Club-Charts) entstanden, die inzwischen eine Art Institution sind. Das war so mein Magazin und da habe ich mir meine Infos herausgeholt. Es war aber auch eher auf Black Music spezialisiert und hatte einen großen Schwerpunkt auf Soul, Funk und Hip Hop gehabt. In jedem Magazin gab es drei DJ-Charts und die waren unheimlich wichtig, um sich zu orientieren. Sobald man die sah, hat man sich die Tracks – sofern man sie im Laden finden konnte – automatisch angehört. Mir hat das schon damals gezeigt, wie wichtig es sein würde sich an den Charts zu orientieren und damit auch viel mehr zu arbeiten. Der Grundgedanke war, aus dem Groove Magazin ein Chart- Magazin zu machen. Die ersten 16 Seiten hatten dann auch um die zwölf Seiten Charts – nur DJ-Charts von allen wichtigen DJs aus dem Rhein-Main- Gebiet und auch Plattenläden-Charts. Auf der Basis hat sich das Magazin dann entwickelt. Eigentlich habe ich mit dem Magazin meine eigenen Bedürfnisse befriedigt. Ich habe genau das reingeschrieben, was für mich wichtig war und was ich auch gerne lesen wollte, und habe damit zufälliger Weise einen Nerv getroffen.

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Und was ist dann passiert?

Ich habe die Groove 2004 verkauft. Ab Mitte 2004 wurden die Geschäfte schon vom Piranha Mediaverlag geregelt. Ich bin dann noch ein halbes Jahr pro forma Herausgeber geblieben, was ich mir gewünscht hatte, damit ich sozusagen die 15 Jahre voll mache.

Wie kam es dann zu deiner Labelpartnerschaft bei Get Physical? Das war ja noch vor der letztendlichen Abgabe der Groove? Waren Label und Magazin zusammen einfach zu viel des Guten?

Das Witzige ist, dass mir schon ohne Label in der Zeit alles viel zu viel war. Aus positivem Stress wurde dann auch negativer Stress. Ab 2001 gab es schon mal einen Wirtschaftsknick, der sich vor allem auf die Geschäftsbereiche ausgewirkt hat, die von Werbung gelebt haben. Die goldenen Zeiten gingen exakt bis zum ersten Halbjahr 2001, was das Magazin machen betraf. Ich habe noch die Zeiten in den Neunzigern miterlebt, wo Plattenfirmen in jeder Ausgabe ganzseitige Anzeigen für mehrere Tausen D-Mark schalten konnten, wo die Leute eigentlich das Gegenteil von heute gemacht haben und für Werbung fast das Geld zum Fenster hinausgeschmissen haben. Dann kam eben dieser erste krasse Knick und dann habe ich erlebt, was ich gar nicht für möglich gehalten hätte nämlich, dass man selbst als Nischen-, bzw. als Special Interest Magazin genauso betroffen ist, wie alle anderen auch. Das habe ich dann auch – erst mit einer Verzögerung von einem halben Jahr – schmerzhaft eingesehen. Ich habe mich damals einfach total übernommen. Ich bin jemand, der jede gute Idee irgendwie umsetzen muss und auf zu vielen Feldern gleichzeitig aktiv war. Ich wollte den fallenden Anzeigenumsätzen entgegenwirken und habe deshalb angefangen andere Geschäftsfelder anzukurbeln. Ich habe viele Veranstaltungen gemacht, auch kurzzeitig mit anderen Leuten einen Club gemacht und die Einnahmen dann wieder ins Magazin gesteckt, um da die Löcher zu stopfen. Eine Zeit lang ging das einigermaßen gut, war aber auch wahnsinnig stressig. Irgendwann musste ich dann einfach Projekte abbauen, um nicht schon rein psychisch vor die Hunde zu gehen. Da habe ich dann die M.A.N.D.Y.s getroffen, die mir von ihrem Plan erzählten ein Label zu gründen und mich um Rat baten, ob ich nicht noch jemanden wüsste, der als Sechster diese Konstellation um einige bestimmte Komponenten ergänzen könnte – also die zwei Booka Shades plus Partner, die zwei M.A.N.D.Y.s und eben eine weitere Person. In dem Moment habe ich gewusst: „Ein Label? Das wollteste doch schon vor 15 Jahren machen.“

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Mit Get Physical läuft es scheinbar weiterhin gut. Vor einigen Monaten hattet ihr euren 100. Release und jetzt erscheint nach langer Pause dein zweites Album „The Inner Jukebox“. Welches Signing oder welcher Künstler auf Get Physical hat dich in der letzten Zeit am meisten begeistert?

Das letzte Signing für Get Physical waren die Catz and Dogz. Das sind zwei Polen und momentan dort die zwei erfolgreichsten Produzenten. Die sind mit dem Catz and Dogz-Projekt schon auf einem Label von Claude VonStroke (Mothership). Das sind zwei Jungs, da merkt man mit jedem Release eine Qualitätssteigerung. Ich denke, die werden noch ein Weilchen präsent sein. Die beiden sind noch sehr jung und bringen demnächst bei uns eine Maxi heraus. Eine weitere Veröffentlichung, die gerade auf Get Physical herausgekommen ist, ist das aktuelle Album von Damien Lazarus „Smoke The Monster Out“. Der hat mit Crosstown Rebels auch sein eigenes Label. Der hat auch ein schwierige Zeit hinter sich, weil in England ein Vertrieb Pleite gemacht hat. Jedes Mal, wenn ein Vertrieb Pleite macht, sterben auch diverse Labels, weil irgendwelche Riesenbeträge offen stehen und das hätte ihn auch fast erwischt. Er ist natürlich nicht nur ein DJ der produziert, sondern er schlägt auch Brücken zu Pop, Advanced oder Crossover-Geschichten, was ich 26 chat selbst zum Beispiel gar nicht will. Ich bin wirklich ein ganz klassischer DJ-Produzent und möchte, auch wenn ich ein Album mache, Musik machen die auf dem Dancefloor auf jeden Fall funktioniert, die ich auch selber spielen kann. Das ist mir ganz wichtig.

Ist dir das auf deinem neuen Album „The Inner Jukebox“ gelungen?

Das Album ist keine reine Aneinanderreihung von Clubtracks geworden. Es war mir wichtig mit drei, vier Stücken die ein bisschen anders sind eine Geschichte zu erzählen, einen Flow zu haben in diesem Album der es dann auch ermöglicht das Album zu Hause zu hören.

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Auf der Promo CD haben zwei Tracks gefehlt. War das so gewollt?

Wir haben es einfach nicht geschafft die Deadline einzuhalten. Wenn ich gewusst hätte was passiert, dann hätte ich es anders gemacht. Wenige Tage nachdem wir die Promo CD an den ersten, relativ kleinen Businesskreis verschickt hatten – an den es auch rausgehen musste, weil über K7 eine weltweite Vertriebskoordination stattfindet, wo dann die Vertriebspartner diese CD zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt einfach kriegen müssen, weil sonst dieser ganze Plan zur Koordination der von K7 vorgegeben ist, nicht funktioniert – standen die Tracks schon auf 60-70 verschiedenen Download- Seiten zur Verfügung. Das passiert uns mittlerweile mit jedem Release, nur war es bei meinem Album sichtbar schneller und massiver. Warum das gerade bei dem Album so war, wissen wir nicht. Wir waren geschockt, wie schnell es dieses Mal ging und weil es irgendwie aus diesem Kreis dann kommen musste, an den es halt als Erstes rausgegangen ist. Irgendwo war halt ein Leck, wo jemand das weitergegeben hat.

Wie fühlt man sich dann? Was bedeutet dir das?

Mittlerweile muss ich sagen, man tut besser daran zu versuchen das zu vergessen und zu akzeptieren, weil es nie wieder anders sein wird. Trotzdem sollte man Strategien entwickeln, wie man das bekämpft oder zumindest eindämmt. Allerspätestens wenn man das Album dann verkauft, kann man sich inzwischen sicher sein, dass in der Stunde, wo das zum Beispiel auf Beatport gestellt wurde, jemand in der Ukraine oder in Russland, oder wo auch immer, das Album legal herunterläd und dann hochstellt. Und dann kann man davon ausgehen, dass sechs Stunden später das Album schon auf 30 weiteren Blogs erhältlich ist. Das kann man nicht mehr verhindern. Was unser Office zum Beispiel macht ist – und das habe ich auch schon von anderen Labels gehört – dass wir eigene HiWis beschäftigen, die nichts anderes machen, als diese Plattformen, Blogs und File-Hosts anzugehen. Aber das ist ein Kampf gegen Windmühlen, weil für zehn Gelöschte täglich zehn Neue erscheinen.

Lev Nordstrom

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