Önce Düsün,Sonra Söyle oder in welche Richtung die Deutsch-Türkische Integration in den Mund genommen werden sollte.
Berliner unterliegen ja dem Irrglauben, alles zu kennen, alles zu haben und alles haben zu können. Jeder will hierher ziehen und denen, die das nicht wollen, wird schnell das Prädikat „Landei“ aufgedrückt; wahlweise als metropolitan slut beschimpft, weil in den Geschichten zwischen London, New York und Sao Paolo nicht ein einziges mal über Berlin gesprochen wird. Welche unerwarteten Möglichkeiten sich da für die Berliner in fremden Städten auftäten. Das Leben wäre viel einfacher, aber Hauptstädter sind hard knocks – lieber hier durchkämpfen, sonst könnte man sich ja nicht mehr auf dem rauhen Ruf ausruhen.
Aber im Prinzip stimmt es, dass die Hauptstadt alles bietet, was benötigt wird. Nur ein China Town oder Little Italy fehlen zu dem vollendeten Glück. Eine exotische Kultur, fremde Gerüche, andere Klänge und die Möglichkeit, eine Sprache mal eben auf der Straße zu lernen. Vergessen ist plötzlich die überproportionierte Bedrohung durch die Parallelwelten in denen die zurzeit 220.000 Menschen mit türkischen Wurzeln leben. Nein, Berlin fehle etwas wirklich Exotisches. Die exportierte türkische Kultur ist mittlerweile ein selbstverständlicher Bestandteil des Berliner Lebens geworden.
„Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“ Denn was für Goethe gut war, wird den Berlinern allemal reichen. Integration kann in dieser Stadt sehr einfach auch als Chance gesehen werden. Alle haben hier die Möglichkeit türkische Zeitungen zu lesen, türkisches Fernsehen zu sehen und ein türkischsprachiges Radio zu empfangen. Unterwegs wird auf türkisch eingekauft, Essen bestellt und – wer es wirklich wissen will – erledigt seine Behördengänge auch in fremder Sprache. Keiner sagte, dass die Parallelwelten abgeschlossen wären. Das Tor mit dem Namen Integration kann in beide Richtungen durchschritten werden.
Söyleyene bakma, söylenene bak. Achte nicht auf den, der spricht, achte auf das was gesprochen wird.
2,4 Millionen Türken machen den größten Anteil an Ausländern eines einzelnen Herkunftslandes in der Europäischen Union aus. Von denen leben 1,8 Millionen in Deutschland mit türkischem Pass. In Berlin sind es dann nur noch 140.000; das wäre, als wohnten in ganz Kreuzberg nur Türken. Ein Touristenmagnet, den man stolz Vorderanatolien nennen könnte. Jedoch gibt es neben den Türken zusätzlich noch bundesweit etwa 80.000 Deutsche mit türkischen Wurzeln. Denn momentan müssen sich die Kinder mit doppelter Staatsangehörigkeit zwischen dem 18. und dem 23. Lebensjahr entscheiden, welchen Pass sie behalten möchten. Nicht selten kommt es dadurch zu Spannungen in den Familien. Die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft wird oft als Absage an die türkische Kultur, vielmehr noch den türkischen Stolz begriffen. „Der türkische Staat begreift die Auswanderer noch immer als Bürger seines Landes.
Das geht nicht“, erklärt Berlins Innensenator Erhart Körting. Natürlich ist es polemisch, wenn der türkische Ministerpräsident zu inneren Auseinandersetzungen in Deutschland Besuchsfahrten macht. Der Grund heiligt eben nicht alle Mittel. Der Besuch und der Nachhall in der türkischen Gemeinde zeigt doch nur, welche Schwierigkeiten Deutschland mit der bisherigen Integrationspolitik und vor allem der Integrations- kultur hat. Kein Wunder also, dass der Großteil der Deutsch-Türken irgendwo zwischen den Welten lebt.
Nur scheint das die Deutschen eigentlich nicht zu interessieren.
Tav an da a küsmü , da ın haberi olmamı . Der Hase war dem Berg böse, der Berg merkte es nicht.
Einer Studie der Meinungsforschungsinstitute Info GmbH und Liljeberg Research International würden sich zwei Drittel der Befragten in Deutschland als Türken und in der Türkei als Deutsche sehen – und das, obwohl über die Hälfte „ohne Abstriche“ Teil der deutschen Gesellschaft sein wollten. Immerhin fühlten sich hier 45 Prozent unerwünscht.
Einer der Wege führt also durch das Tor der Integration, was weder neu ist noch die Gesamtsituation verbessert. Dennoch, es gibt für niemanden etwas zu verlieren und alleine die Spur eines Erfolges mag im Kleinen Welten verändern. Der Weg führt nämlich gegen den Strom durch die Pforte: Berliner sollten türkisch lernen! Sicher nicht als Pflichtfach in der Schule, aber wo sind die Wahlfächer und Türkisch-AGs? Interkulturelles Leben kann nicht von einem Großen über den Kopf des Kleinen laufen. Zwar erklärt das Goethe-Institut das neue Jahr zum „Jahr der deutschen Sprache“, will Migranten nun lingual „sehr viel besser“ eingliedern als bisher, aber das soll ja nicht berührt werden. Keiner wird ernsthaft behaupten können, dass Sprachverweigerung seitens der Migranten zum geschmeidigen Miteinander der Kulturen beitragen wird.
Die Zunge ist eben schärfer als das Schwert. Dil kılıçtan keskindir.
Es wird freilich nicht erwartet, sich mit allen Kulturen aus dem FF auszukennen, aber gerade in Bezug auf Deutsch- Türken wäre ein breites aufeinander Zugehen förderlich. Wie wünschenswert wäre es, einfach mal locker mit Onkel Ahmet einen kleinen Smalltalk zu halten.
Vor Kurzem kam eine Freundin aus Istanbul nach Berlin. Wir verbrachten einen schönen Tag miteinander: Vorweihnachtszeit mit viel Glühwein und dazu trugen uns unsere Räder lässig durch die Stadt. Natürlich bestand ich darauf, ein paar Phrasen auf türkisch beigebracht zu bekommen, die ich im Laufe des Tages auch sicher beherrschte. „Hey, was geht? Hast du Hunger? Du bist echt lustig!“ Später lernte ich noch „ öyle böyle“, was soviel wie so lala bedeutet. „Hey naber? „ öyle böyle“. Dazu gehört eine typisch mediterrane Handbewegung: Auf Bauchhöhe wird die halboffene Hand mit den Fingern weg vom eigenen Körper um die eigene Achse gedreht. Dazu kann man den Kopf ein wenig hin und her wiegen und die Augenbrauen etwas hochziehen. Schon aufgrund der Phonetik, aber nicht zuletzt wegen der übermittelten Nonchalance ist öyle böyle der Renner unter den türkischen Ausdrücken.
Auf einer Redaktionskonferenz traf ich dann zwei ältere Türken. Sie hatten sich fernab vom Geschehen einen ruhigen Platz in einem anderen Raum gesucht und redeten den Abend miteinander – natürlich auf türkisch. Ich stellte mich dazu, kam aber wegen der Sprachbarriere nicht wirklich an und begann meine Wörter abzuklappern. Ob sie Hunger hätten – ich sprach dabei jeden mit dem gleichen Satz persönlich an, weil ich ja nur „Hast du Hunger?“ sagen kann – oder was so gehen würde – zwei Mal „Was geht?“ – wollte ich wissen. Wie es zu erwarten war, wurde ich ebenfalls nach meinem Befinden befragt. Mein großer Moment: Mit der Hand wedelnd und den Kopf schaukelnd brachte ich ihnen ein geschäftiges öyle böyle entgegen. Die beiden prusteten mit aller Erleichterung aus sich heraus. Das hätten sie nicht erwartet. Es sah einfach echt aus und nicht nach einem Zehn-Tage-Sprachkurs aus dem Cluburlaub in Antalya. Wäre ich Türke hätte ich noch „ba dille tartılır“ gedacht. So echt bin ich dann doch nicht. Dessen ungeachtet wurde an dem Abend mein Kopf trotzdem nach der Zunge gemessen. Wir lachten, witzelten herum und ich ließ mir das Spektakel nicht nehmen und brachte „ öyle böyle“ noch jemand anderem bei, wobei ich kräftig in der Luft umherrührte.
Sollen türkischsprechende Deutsche also die Rettung der schwierigen Integrationspolitik der letzten Jahre sein? Nein. Aber es könnte wie ein Eisbrecher wirken, wenn es eine allgemeine Offenheit gäbe, ernsthaft in Erwägung zu ziehen doch mal türkisch zu lernen – eine Sprache, die einen ohnehin in vielen Teilen Berlins umgibt. Eine gemeinsame Sprache ist die Grundlage aller alltäglichen Kommunikation und des Austausches zwischen den Menschen. Nicht umsonst werden bundesweit Imame vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem Goethe-Institut durch Fortbildungskurse gefördert. Diese sollen ihren Ge- meindemitgliedern als gute Beispiele voran gehen und unter dem Strich dafür sorgen, dass Bevölkerungsgruppen angesprochen werden, die sonst nur schwer zu erreichen sind. Für vorerst fünf Jahre erhalten zunächst 130 Imame 500 Stunden Deutsch-, interkulturellen und landeskundlichen Unterricht, um in ihrer Gemeindearbeit unterstützt zu werden. Die Schwerpunkte liegen dabei auf Staats- und Gesellschaftskunde, sowie Bildung, Ausbildung, Migration und religiöse Vielfalt. Sie sollen so frühzeitig Hilfe- stellungen bei Integrationsproblemen anbieten können. Letztendlich liegt es am Willen aller, das Einwanderungsland Deutschland positiv mitzugestalten und Vorurteile abzubauen. Eine im letzten Herbst veröffentlichte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verdeutlicht das besonders harsch: Danach werden Migranten in Deutschland schlichtweg benachteiligt. Das ist bereits seit der PISA- Studie klar. Bei 20- bis 29-Jährigen mit Migrationshintergrund gibt es doppelt so viele Geringqualifizierte ohne Abitur oder abgeschlossener Berufsausbildung, wie bei den Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund. Herausstechend ist bei dieser Studie indessen das Ergebnis, dass Migrantenkinder auch bei gleichem Bildungsstand geringe Chancen haben.
Einige sehen ihre Zukunft deshalb im familieneigenen Onkel-Ahmet-Laden. Obwohl die vielen kleinen Spätis und Obst-und-Gemüse-Läden harte Arbeit abverlangen, schließen sie die Lücken, welche die Tante-Emma-Läden nach den massenhaften Schließungen hinterließen. Es ist keine Seltenheit, dass hier oft alle Familienmitglieder für Niedrigstlöhne mitarbeiten, zumal sich annehmbare Alternativen dazu kaum böten. So kommt es, dass die Onkel-Ahmet-Läden sehr früh öffnen, sehr spät schließen und kaum Wochenenden kennen. Tante-Emma- Läden wollten das nicht bieten. Daraufhin wurden sie von den großen Supermarktketten einfach überrumpelt. Obwohl es natürlich für jedes einzelne Geschäft schmerzlich war, konnten oder wollten sich die meisten Tante-Emmas nicht auf die neuen Bedingungen einstellen. Das war die Chance für Menschen, die das bis jetzt bieten wollen.
Bugünki i ini yarına bırakma. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.
Vielleicht machen diese kleinen Lebensmittelläden deshalb nach Angaben des Zentrums für Türkeistudien in Deutschland 13 Milliarden Euro Jahresumsatz. Das wären 4000 türkische Geschäfte mit einem Umsatzvolumen über einer Milliarde Euro allein für Berlin. Würden diese Geschäfte aus dem Berliner Stadtbild verschwinden, gäbe es ein ernstzunehmendes Problem mit der Grundversorgung. Auch wenn im Ostteil der Stadt mehr Mesieur-Nguyen-Geschäfte zu finden sind, gehört der Türke-um-die-Ecke zum festen Bestandteil des Berliner Lebens.
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Ak am olmadan gün övülmez.
Wo sonst gibt es so zuverlässig nach zerfeierten Nächten am frühsten Morgen noch etwas zu essen? Einen offenen Türken kann man garantiert noch irgendwo finden. In deutschen Restaurants hat da gewöhnlicherweise die Küche seit Stunden geschlossen. Dort hingegen herrscht indessen reger Betrieb. Die vorderen Tische sind besetzt, es wird laut geredet und hantiert. Frischer Ayran macht den Beginn, bevor es mit einem Adana-Spieß und einem (sogar jetzt noch) frisch zubereitetem Salat weitergeht. Unbedacht folgt der Biss in den gegrillten Pfefferoni. Der Wunsch nach noch mehr Ayran flammt auf, doch das Glas ist leer. Auf türkisch lautstark einen neuen zu bestellen wäre angebracht. Ab hier wird die Geschichte unprätentiös. öyle böyle eben.
Wem ein Grill-Restaurant zuviel ist, der ist dagegen gut an der Döner-Bude aufgehoben. Jeder stand dort bereits auf dem Weg nach Hause und sehnte sich nach nichts anderem, als hier den Hunger zu stillen. Vor über 30 Jahren wurde der Döner Kebab in Berlin erfunden. Wer durch türkische Städte läuft, dem fallen zwar viele kleine Imbisse, Grills und Restaurants auf, aber die Dichte der Döner-Buden ist bei Weitem geringer als hierzulande. Trotz der Mauer wurde der Döner nämlich zum Kassenschlager in fast allen Deutschen Städten. Das führte oft zum Unverständnis seitens reisender Westberliner, da in Hamburg für einen Döner bis zu acht Mark gezahlt werden musste, in Schwaben waren es vier Mark fünfzig und in Bayern musste man einen „Döner-Sandwich“ verlangen. Nichts verdeutlicht den Einzug der deutsch-türkischen Kultur mehr, als der Siegeszug des Döner Kebabs.
Die exportierte türkische Küche (!) ist mittlerweile ein selbstverständlicher Bestandteil des Berliner Lebens geworden. Wäre es nicht angenehm, wenn das etwas mehr als nur der Döner wäre, auf den man sich einigen könnte? Echte Kultur und nicht nur der Abgrenzungspathos der Deutsch- Türken. Echte Kultur und nicht nur ein höchstens akzeptiertes Nebeneinander der Deutschen. Ein wenig Interesse, eine kleine Nachfrage und ein paar Worte verinnerlichen. Das würde sicher schon reichen, um zu erreichen.
Hör hundertmal, denk tausendmal, sprich einmal. Yüz dinle, bin dü ün, bir konu .
Jeder Türke fühlt sich dabei ernstgenommen, dem Stolz angemessen gegenüber getreten und freut sich innerlich, dass es doch offene Deutsche gibt. Erst dann ist es glaubwürdig Ähnliches von anderen zu ver- langen. Denn wie heißt es in beiden Sprachen so schön: Son gülen iyi güler. Wer zuletzt lacht, lacht am besten
Miron Tenenberg
Miron Tenenberg
Want more stuff like this? Show love below.