Ein Chat Mit Claudia Urbschat – der Stimme von Angelina Jolie

von Emin Mahrt


Ihre Stimme ist wie Musik. Sie hätte genau so gut Sängerin werden können, ist es aber nicht. Trotzdem hat fast jeder von Euch ihre Stimme sicherlich schon einmal gehört. Claudia spricht Stars wie Angelina Jolie, Maria Bello, Jada Pinkett-Smith und Jennifer Connelly. Sie schauspielert, synchronisiert Videospiele und spricht Hörbücher. Aktuell ist sie in UNSTOPPABLE (Rosario Dawson), THE TOURIST (Angelina Jolie – davor auch in SALT) und demnächst THE DILEMMA (Jennifer Connelly) zu hören.

Ich muss zugeben ich wollte schon immer Synchronsprecher werden.

Ich dachte immer, kein Mensch geht in synchronisierte Filme, weil die Leute das immer sagen (lacht). So kommt es einem jedenfalls irgendwann vor. Meistens läuft das so: Und was machst du so? – Synchronsprechen.

»Wirklich? Also, ich guck ja NIE synchronisierte Filme, sondern nur die Originalfassung.«

Wirklich? Also, ich guck ja NIE synchronisierte Filme, sondern nur die Originalfassung. Das ist immer der erste Satz, der kommt. Und der zweite ist: Ach, so, ja, und bist du auch Schauspielerin? Und wenn ich dann mit Ja antworte, sagen sie: Oh… mhm, nach dem Motto: Du hast wohl nichts anderes machen können, du Arme.(lacht) Also, ich kenne niemanden, der das toll findet. Und der Weg zum Synchronschauspieler ist unterschiedlich: Es gibt die Synchron-Kinder, die quasi in den Beruf hineingeboren wurden, aber der klassische Weg ist: Du machst eine Schauspiel-Ausbildung und probierst dann Film, Theater, Synchron aus und irgendwo bleibst du dann hängen, da wo es eben funktioniert. Bei mir war es die Synchronschiene.

Für mich macht die Stimme eines Schauspielers 50% seiner schauspielerischen Fähigkeit aus. Das heißt, du gibst ja den Charakteren die du sprichst Charakter durch deine Stimme?

Dazu kann ich zwei Sachen sagen: Für mich ist die Stimme die Seele des Menschen. Du hast einen Schauspieler im Bild, der spielt, das ist die äußere Wirkung. Und dann hast du die inneren Vorgänge, die durch die Stimme ausgedrückt werden. Das heißt, ich versetze mich erst mal in den Schauspieler und von dort aus versuche ich dann das Innere nach Außen zu transportieren. Und das Zweite: Ich hab am Wochenende mit einem Blinden gesprochen. Er kam auf mich zu und fragte mich: Na, wen sprichst du denn? Und ich: Die Jennifer Connelly, Jada Pinkett-Smith, oft Maria Bello, Angelina Jolie… Und dann meinte er: Dir ist es vielleicht schon aufgefallen: Ich bin blind. Mir ist das egal, wer die Schauspielerin ist, die du synchronisierst, ich höre ja immer nur dich. Und das fand ich irgendwie ganz bezeichnend.

»Ich bin blind. Mir ist das egal, wer die Schauspielerin ist, die du synchronisierst, ich höre ja immer nur dich.«

Klar versuche ich mich der Situation, Figur, dem Genre etc. anzupassen aber letztendlich, wenn jemand blind is oder sich komplett darauf einlässt, hört er sowieso nur mich.

Eine Mutter von einem guten Freund hat mal gesagt, dass man mit jeder Sprache, die man spricht einen weiteren Charakter in sich aufnimmt.

Das Synchronisieren ist wahnsinnig schnelllebig. Bis so ein Film fertig gedreht ist, dauert es mehrere Monate. Die Synchronisation feiern wir dann in 3 Tagen ab. D.h. ich rase mehr oder weniger in Echtzeit durch diesen Film. Jeder Take, der Film wird aufgeteilt in mehrere Sequenzen, wird einmal gesehen und einmal gesprochen. Das wars. Vielleicht nehme ich mal ein bisschen Wissen mit. Nicht weil ich alles schon kann, sondern ich hab gar nich die Zeit Dinge wirklich auszuprobieren und zu üben.

Also was ich immer so toll finde, ist dieses Zeitlose an dem Job. Wie wichtig sind für dich deine Hauptrollen, die du immer wieder sprichst? Hast du überhaupt Konkurrenz?

Ich hab überhaupt kein Monopol. Stimmen werden ohne Ende gewechselt.

»Es gibt da eine Frau, die ich wirklich seit zehn Jahren durchgehend spreche, Jada Pinkett- Smith.«

Das beste Beispiel: Es gibt da eine Frau, die ich wirklich seit zehn Jahren durchgehend spreche, Jada Pinkett- Smith. Die mag ich als Schauspielerin, aber eben auch als Person an sich. Bei so einer Schauspielerin denkt man: Mensch, das ist meine Schauspielerin, die möchte ich gerne immer sprechen. Das gibt es. Und die Jada Pinkett Smith spielt gerade bei einer Fernsehserie mit. Und obwohl ich zu den Kinofilmen immer wieder angefragt wurde, wusste ich nicht mal was von dieser Serie, bevor sie in der Fernsehzeitung stand. Und das hat mich einfach persönlich gekränkt.

Das ist ja echt krass. Ich dachte immer man genießt da eine gewisse Sicherheit?

Auf der einen Seite hast du schon deine Sicherheit. Angelina Jolie macht zwei bis drei Filme im Jahr, Jeniffer Connelly auch und Jada Pinkett- Smith macht vielleicht einen pro Jahr. Wenn du davon 50 Prozent sprichst, hast du schon mal einen gewissen Stock an Kinofilmen. Aber allein von den Kinofilmen, die meine Frauen spielen, selbst wenn ich alle sprechen würde, würde ich NIE davon leben können.

Wir Synchronschauspieler verdienen nämlich einen WITZ! Wirklich! Trotzdem ist es natürlich gut, die Stimme von Jolie zu sein. Zum einen liegt mir die Schauspielerin und zum anderen verschafft sie mir natürlich auch einen gewissen Marktwert. Aber es wird halt kräftig an der Daumenschraube Geld gedreht. Die Synchronfassung ist immer das allerletzte, also wirklich das allerletzte (lacht), was an einem Film fertig gestellt wird. Und es ist das, was am schnellsten fertig sein muss, wofür dann kein Geld mehr übrig ist.

Aber trotzdem is das was extrem Wichtiges. Es gibt Bild und Ton! Beides eigentlich gleich wichtig für den Film. Oder etwa nicht?

Ja, aber für die Verleiher kommt vorher noch die Werbung, die Premierenfeier und das ganze Drumherum. Es gibt da so einen stehenden Begriff: Das Buffet einer Premierenfeier kostet mehr als die Synchronisation eines Films. Und daran sieht man: Die Töpfe sind einfach anders gelagert.

»Das Buffet einer Premierenfeier kostet mehr als die Synchronisation eines Films.«

Gibt es einen Unterschied zur Synchronisation von Filmen gegenüber Computerspielen oder Hörspielen?

Naja bei Hörspielen und bei Computerspielen ist das so: Du siehst kein Bild, meist hast du Schnipsel, die noch nicht mal chronologisch in Zusammenhang stehen. Oft hast du noch nicht mal deinen Dialogpartner. Das heißt, du hast einen Satz, sagen wir mal: “Ja das hab ich schonmal gehört, bist du sicher, dass er das gesagt hat?” Den kannst du in so vielen verschiedenen Varianten sprechen, denn du weißt ja in dem Moment nicht, in welcher Situation; wo ist derjenige; mit wem spricht er; ist er aufgeregt; ist er sauer; wo kommt er gerade her? Du sprichst das alleine ein, hast maximal noch den Text deines Gegenübers aber weder Bild noch eine Vorstellung wie er das interpretiert. Das ist besonders schwer. Manchmal gibt es eine sehr gute Regie, die dich führt, die genau hinhört, genau weiß was sie will und dich dahingehend betreut und führt, aber in der Regel sprichst du ins Blaue und hast nur die Hoffnung, dass es sich einigermaßen anhört.

Vielen Dank für das Interview. Nachträglicher Kommentar:

Es wäre schön, wenn meine Webseite genannt würde (so a lá: Claudia Urbschat-Mingues lebt in Berlin Kreuzberg und hat eine eigene Webseite claudiaspricht.de).

Beste Grüße vom O-Platz Claudia

Gerne Claudia!

Interview Josephine Müller und Emin Mahrt

Emin Mahrt

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