Trotz der vielen Teilnehmer wird sich an der Damentoilette wohl eher keine Schlange bilden.. “droidcon” – spätestens mit dem Tweet von HansJ dürfte es nun wohl auch dem letzten Nerd wie Schuppen von den Augen fallen. In dem 500 Leute fassenden Saal des Seminaris CampusHotel Berlin befinden sich nur 6 Frauen. Zwei davon sind Kellnerinnen. Der Reihe nach muss sich jeder Nerd im Plenum mit seinen drei “Tags” präsentieren. Während das Mikrofon durch die vorderen Reihen wandert, tausche ich mit meiner Begleitung Heinrich van Rixdorf originelle Ideen wie “Hi, my Name is Uwe and my tags are: Android, whiskey and bitches.” oder “My name is Ol’ Dirty Bastard and I’m an alcoholic”. Als das Mikrophon allerdings endlich bei mir landet stottere ich mit zittriger Stimme ein paar kratzige Wörter heraus. Meine Barcamp-Entjungferung hatte ich mir eigentlich schöner vorgestellt, so ist das halt mit Entjungferungen. Möge die droidcon Berlin beginnen. Auf der Toilette hole ich mein Milestone raus – es wird nicht das letzte Mal sein. Ich twittere, wieviele Smartphones wohl heute noch beim Twittern in die Toilette fallen werden.
Seit anderthalb Monaten freuen Heinrich und ich uns nun schon auf die Droidcon. 2 Tage lang Schweißgeruch, Pizza und Apps, Apps, Apps. Da schlägt das Herz eines jeden Hackers automatisch höher. Seit 4 Monaten sind wir beide stolze Besitzer eines Milestones. Auch das Update auf Android 2.1 hatten wir selbstverständlich früher als alle anderen. Vor zwei Monaten habe ich selber angefangen mich an Android Programmierung heran zu pirschen. Ich bin also bereit, mit den Eingeborenen in ihrer Sprache zu kommunizieren.
Ansonsten sind wir natürlich total cool – unsere drei wichtigsten Tags: DJ, Reporter, Gigolo. Auf dem Hinweg schließen wir diverse Wetten ab, unter anderem wer die meisten Wedgies verteilt und wer die meisten Pausenbrote zockt. Beim Barcamp heile angekommen, Google Maps sei Dank, stellen wir fest, dass es fast ausschließlich Männer in der Lobby gibt, die Quote an originalen Nerds aber verschwindend gering zu sein scheint. Was machen wir denn, wenn die jetzt auch noch cool sind? Uns überkommt Nervosität, die wir mit ein paar hilflosen Nerd-Witzen, zu verstecken versuchen. Noch bevor PR-Dame Anja uns unsere Akkreditierungen bringt, hat Heinrich bereits Miss Droidcon Berlin gesichtet. Unsere Sicherheit kommt zurück. Frauen – damit kennen wir uns aus. Per Augmented Reality werden ihr rasch Scherpe und ein Strauß Blumen überreicht. Heinrich möchte ihr noch rasch den GPS-Tracker unter den Rock schieben, aber die erste Session beginnt.
Ach, ihr wisst garnicht was ein Barcamp ist? Nix saufen hier, guckt doch einfach mal bei Wikipedia, ihr Noobs. Oder mal für die Technogeneration zusammengefasst: Barcamps sind sowas wie Open Airs, bloß mit mehr Computer, weniger Musik und drinnen eben. Check your local barcamp!
Die erste Session läuft erst seit 5 Minuten und mein ADHS schlägt wieder voll und ganz durch. Im Gegensatz zu den Uni-Seminaren muss es mir aber diesmal nicht unangenehm sein, dass Milestone zu zücken, um Facebook und Mails zu schreiben. Neben mir sitzt Marco, stolzer Besitzer von vier verschiedenen Android Telefonen. Die brauche er alle zum Testen, sagt er mir. Marco hat sich vor kurzem als Android Consultant selbstständig gemacht. Wir verplappern die restliche Session wie früher in der Schule, nur dass die Hauptthemen heute Eclipse und Snapshots von Android Konfigurationen sind. Außerdem erzähle ich ihm von meinem Problem, die Orientation des SurfaceView der Systemkamera auf Portrait zu fixen. Da Nerding ja bekanntlich Hunger macht, stürzen wir uns anschließend auf das Buffet. Das Catering lässt keine Wünsche offen. Statt Informatikerschweiß liegt der süßliche Duft von Reichtum in der Luft. Nur die bunten Tücher an der Decke erinnern irgendwie an Psy-Trance.
Den Nachmittag vertreiben wir uns mit diversen Strategiebesprechungen, wie wir denn nun Miss Droidcon Berlin ansprechen sollen. Die Macht der Smartphones scheint unsere Kräfte zu beeinflussen. Sind wir hier womöglich die Geeks und die Programmierer die Coolen? Aus sicherer Entfernung müssen wir tatenlos mitansehen, wie charismatische App-Developer mit ihr lachen und scherzen, ohne dass sie uns auch nur einen Blickes würdigt. Also Coolio in nerdtopia droidCon Berlin 22 report doch lieber noch ein paar Sessions besuchen, mit dabei “Soundcloud on Android”, “Open Streetmap” und “Unit Testing”, für den angehenden Androiden Uwe war das droidcon Barcamp Berlin ein voller Erfolg. Wirtschafswissenschaftler Heinrich beendet das Barcamp mit der letzten Session “How can teleportation be done with the Android?” in der Hoffnung sich unter die Bluse seiner neuen Traumfrau zu teleportieren.
Scheinbar hat Heinrich die falschen Koordinaten eingegeben, denn statt unter ihre Bluse beamen wir uns erst zu Rissani und dann zur Afterparty in die C-Base. Bei der C-Base handelt es sich um ein altes Raumschiff, das restauriert und zum Hauptquartier der Berliner Nerd-Community umfunktioniert wurde. Links führt eine Leiter nach oben, eine Wendeltreppe führt nach unten. Auf beiden Etagen wimmelt es nur so von Rechnern und Computerbüchern. Rechts geht es an zwei Getränke und einem Super-Arcadeautomaten zur Bar. Und es riecht tatsächlich nach meinem Lieblingsparfüm “Eau du Club”, einer Mischung aus kaltem Rausch und getrocknetem Bier. Damit kriegt mich jede Frau. Ach, Frauen, stimmt da war ja was. Die Anzahl der Frauen hat sich für die Afterparty zwar um 6 Frauen erhöht, Miss Droidcon ist aber leider nicht mehr da. Ich persönlich entwickle spontan zwei Theorien dazu: entweder sie ist noch mit ein paar puertoricanischen Busenmodels um die Häuser gezogen oder – das wäre natürlich um einiges sexier – sie hat ihr Eclipse hochgefahren, um sofort ihre Apps nach den neu gelernten Programmierparadigmen zu refaktorisieren.
Verunsichert und mit Schawarma- Humus im Bauch drehen Heinrich und ich unsere Runden. Nun haben wir also auch die Chance verspielt, am Grill mit den coolen Android-Typen ins Gespräch zu kommen. Heinrich versucht sein Glück, indem er nach einem Ladegerät für sein Milestone fragt, ich versuche es mit dem klassischen Anrempeln-und-Drink-Einladen Trick. Unsere üblichen Maschen ziehen in Nerdtopia nicht. Unsere anfängliche Belustigung ist inzwischen in bodenlosen Neid umgeschlagen. Ich wünsche mir, ich wäre niemals auf den abermillionen Parties gewesen und hätte meine Zeit in State Machines und Quellcodes gesteckt. Nerd is the new cool. Endlich verstehe ich, dass hinter dem Spruch mehr steckt als skandinavische Models mit Stash und Rapist-Glasses. Die ganze Zeit ging es also tatsächlich um Computer.
Um wenigstens so zu tun, als wären wir Teil dieser Community, schicken wir Heinrichs Milestone ins Rennen für die Blinkendroid Convention. Gemeinsam mit vielen weiteren Droidphones aller Art soll ein Rekord für das größte zusammenhängende Display aufgestellt werden. Über einen eigenen Server, auf dem sich die Telefone nacheinander anmelden, wird die Verteilung der Geräte angeordnet. Da mein WLAN Probleme hat und ich außerdem Fotos fürs Magazin machen muss, ist meine Kiste raus aus dem Spiel. Einzig Heinrich darf ein echter Teil dieses monumentalen Ereignisses sein. Als die eigens für die Convention erstellte Animation bereits über 30 Geräte läuft, kommt uns eine geniale Idee, wie ich doch noch teilhaben kann. Mit meinem eigenen Telefon wählen wir Heinrichs Nummer. Das Telefon klingelt. “Hey, da ruft jemand an.” – “Das ist meine Mutter!”, ruft Heinrich. Die Brüller sind auf seiner Seite. Das Eis ist gebrochen. Endlich sind wir beide Teil der Show. Wir sammeln einige Karten, schütteln Hände und schnacken über das customisierbare Layout von Buttons. Zum Schluß spreche ich mit Carl. Carl wohnt in London und organisiert mit seiner Posse im Oktober die London Ausgabe der Droidcon, zu der Heinrich und ich hinfliegen werden. Bis dahin gibt es noch viel zu tun. Wir wollen ja schließlich nächste Mal die Miss Droidcon London auch aus der Nähe begrüßen dürfen. Let’s Nerd it on!
Text Uwe Krass
Till Kolter
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