DJ Phono Moments in Music

von Daniel Penk


Ich bin auf dem Weg zu DJ Phono nach Hamburg und allein unter Anzugträgern im Speisewagen. Die Gespräche kreisen um Verkaufszahlen, Meetings und Pitchings während irgendwo immer ein Blackberry klingelt. Ich stelle mir vor, wie hier neben Currywurst im Brötchen und dem Salatteller „Vital“ , große Firmendeals über den Tisch gehen und setzte mir meine Kopfhörer mit dem neusten Set des Deichkind-DJs auf. Das Umland deutscher Bahnstrecken konnte mich bislang nur mittelschwer begeistern, doch im Zusammenspiel mit der Musik kreiere ich eine imaginäre Wellness-Oase zwischen Nauen und Bad Wilslack. Feinteiliger, atmosphärischer Sound mit verspielten, bittersüßen Melodien. Wenige Stunden später sitze ich in Phonos Studio und er spielt mir die Stücke seines neuen Albums „Welcome to Wherever You’re Not“ vor.

proud: Wie war deine Herangehensweise an die Produktion des Albums?

Dj Phono: Mir war es dabei sehr wichtig gewisse Gefühlszustände zu konservieren. Die Produktion hat insgesamt 2 Jahre gedauert. Ich habe dann auch mal 2-3 Wochen überhaupt nicht daran gearbeitet. Ich wollte aus einem Gefühlszustand heraus Musik machen und die Stimmung eines Momentes in der Musik einfangen. Auf diese Momente habe ich gewartet und eine solche Arbeitweise auch zugelassen. Den Kern eines Stückes zu finden geht in diesen Zuständen dann meistens ziemlich schnell. Oft hab ich das schon an einem Abend festhalten können. Ab diesem Punkt habe ich dann mit Jimi (Jimi Siebels/Egoexpress/a different Jimi) zusammengearbeitet der die Stücke als klassischer Produzent noch in ihrer Klarheit ergänzen konnte.

proud: Das was ich von der Platte jetzt gerade höre fügt sich nahtlos in das Bild deiner DJ-Sets ein. Ein stetig langsamer Aufbau von den langsameren Tracks in Richtung tanzorientierter Musik.

DJ-Phono: Da gibt es sehr starke Paralellen. Das war in der Komposition des Albums irgendwann total klar, dass es genauso sein muss. Ich wollte diese beiden doch sehr weit auseinander liegenden Welten von sehr ruhigen Stücken und den eher cluborientierten Sachen zusammenzubringen. Trotzdem sind alle Stücke homogen, auch wenn man z.B. das erste Stück mit dem Letzten auf der Platte vergleicht.

proud: Wie würdest du deine DJ-Sets beschreiben?

DJ Phono: Ich fange oft sehr ruhig an und spiele viele Stücke auch langsamer als im Originaltempo. Die Leute sollen entspannt in den Abend hineinkommen und ich versuche eine warme, willkommenheißende Stimmung zu erzeugen. Durch eine stetige, unmerkliche Steigerung kann ich dann eine Art Sog schaffen. Das Schönste ist dann, wenn eine kontinuierliche Tanzstimmung entsteht und man das Gefühl hat alle möglichen Richtungen einschlagen zu können. Es gibt diesen Moment, wo du einfach merkst, dass du 4 Stunden gespielt hast nur um die Atmosphäre für diesen einen Track zu schaffen. Das sind die großen Augenblicke in einem Set.

proud: Du spielst oft sehr lange. Bei Soundcloud habe ich einen 8 Stunden-Mix von dir entdeckt.

DJ Phono: Das ist für mich das Optimale. Den ganzen Abend spielen. Dann kann ich das Publikum von Anfang an an die Hand nehmen und zusammen mit den Leuten eine Atmosphäre erschaffen. Der Soundcloud-Mix ist für meinem Geburtstag entstanden. Einerseits wollte ich gerne auflegen, aber andererseits natürlich nicht den ganzen Abend am DJ-Pult stehen. Ich habe mich dann ein paar Tage zuvor einfach beim Auflegen selbst gefilmt und das lief dann auf der Party.

proud: Viele identifizieren dich primär mit Deichkind. Ist das schwierig für dich als Solo-Künstler?

DJ Phono: Es gibt immer mal wieder Bookings, wo ich merke hier kann ich wirklich nichts machen. Die Leute gehen dann mit einer falschen Erwartungshaltung zu mir. Die Arbeit als Dj korrespondiert ganz stark mit dem Raum und den Leuten, die dort sind. Ich versuche Sie an einen Ort zu führen, wo ich auch selbst hin möchte. In den meisten Fällen funktioniert das dann auch, auch wenn Sie vielleicht mit einer anderen Erwatungshaltung zu mir gekommen sind.

Proud: Ist DJ Phono der Gegenentwurf zu Deichkind?

DJ Phono: Nein, die beiden Projekte sind zwar auf den ersten Blick total konträr, aber für mich ergänzen sie sich. Zusammen ergeben Sie die Themen, die mich als Künstler interessieren. Bei Deichkind geschieht das im Gewand einer Popgruppe, die die Musik als Ausgangsbasis für eine künstlerische Auseinandersetzung sehen. Dort arbeite ich mit Leuten zusammen, die einen ganz anderen Musikgeschmack haben als ich selbst. Mit DJ Phono produziere und spiele ich die Musik, die ich selbst gerne höre. Sie bedeutet mir persönlich etwas.

proud: Welche Künstler haben dich beeinflusst?

DJ Phono: Die erste Kassette an die ich mich erinnere war Thriller. Die lag im Zimmer von meiner älteren Schwester rum. Dann kam Tina Turner und mit 14 war ich totaler Queenfan. Mit 15 kam dann schon Hip-Hop. Außerdem bin ein großer Fan von Pop-Musik. Die ganzen großen Popbands, die ich damals in den 80ern im Radio gehört habe, haben mich natürlich unterbewusst auch sehr geprägt. Dieser melodiöse Einschlag hat sich dann erweitert um abstraktere Sachen wie Steve Reich oder Philip Glas. Es sind vor allem Künstler, die es geschafft haben mich emotional zu berühren. Und das ist letztendlich auch das, was ich versuche mit meiner Musik zu schaffen. Emotional zu berühren.

Proud: Fehlt dir die Emotionalität in der aktuellen Clubmusik?

DJ Phono: Oft fehlt das schon. Wenn ich neue DJ-Stücke kaufe, gefallen mir von 3000 Stücken vielleicht 10. Die Sachen sind alle nach einem sehr gleichen Schema produziert. Denen kann ich dann auch nicht abnehmen dass dort eine Emotionalität vorhanden ist.

proud: Warum ist das deiner Meinung nach so?

DJ Phono: Es ist mit Sicherheit auch der Tatsache geschuldet, dass du als DJ kaum noch Zeit zum Produzieren hast. Wenn du mit der Musik Geld verdienen willst, dann bist du am Wochenende unterwegs und hast nach der Regenerationsphase vielleicht noch 2 Tage Zeit, an denen du kurz dein Stück machen kannst. Deshalb war es mir auch bei meinem Album sehr wichtig dass das Album fertig ist wenn es fertig ist. Da gab es keinen Druck.

proud: Wie stehst du zu den modernen technischen Möglichkeiten der Produktion? Eigentlich kann heutzutage jeder von Zuhause aus professionell produzieren.

DJ Phono: Früher war ich absolut technikbegeistert.Ich habe mir teilweise eigene Geräte für mein Studio zusammengelötet! Heute interessiert mich das nicht mehr. Die Technik ist mir fast egal geworden. Um die Essenz eines Stückes zu schaffen, ist es egal welche Geräte man benutzt. Das wurde mir bei der Produktion des Albums sehr klar. Die große Gefahr bei Technik ist, dass man dann die Musik aus den Augen verliert.

proud: Welche Rolle spielt Hamburg für dich? Ich habe den Eindruck, dass hier ein ganz melancholischer, spezieller Sound zu Hause ist.

DJ Phono: Ich habe mal ein halbes Jahr in Paris gewohnt und das erste Mal für mich verstanden, warum die Musik aus Paris so klingt wie sie klingt. Mit Hamburg verhält es sich ähnlich. Hamburg hat die totale Ruhe, diese Klarheit. Diese besondere Stimmung in Hamburg kommt meinem Charakter sehr entgegen. Alle Musiker, die hier leben beeinflussen sich gegenseitig und dann entsteht auch dieser spezielle Sound von dem du sprichst. Hamburg ist eine große Inspiration.

proud: Das Album wirst du auch als Live-Act performen. Was kann man erwarten?

DJ Phono: Eine sehr umfangreiche und aufwendige Bühnenshow. Ich habe mit einem Entwicklungsingenieur zusammen gearbeitet, mit dem ich auch schon die Deichkind-Show entworfen habe. Es wird eine sehr technisch ambitionierte, visuelle Show mit einer speziellen Choreographie zu jedem Song und robotergesteuerten Bühnenaufbauten. Auf den großen Festivals werden wir die Show dann performen und in den kleineren Clubs ohne Bühne wird es eine etwas abgespecktere Variante davon geben.

DJ Phono’s Album “Welcome to Wherever You’re Not” erscheint am 14.6 auf Diynamic.

djphono.de

Daniel Penk

Dj Phono 2010 Mix 90min by dj phono

Daniel Penk

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