Cheers.
Den ersten auf Ex, huh?
Hä, alle auf Ex, wo kommst Du denn her?
Gebürtig komme ich aus Husum, das ist in Nordfriesland, an der Nordsee. Da kommt auch der Typ her, der den Schimmelreiter geschrieben hat. Und der berühmte Pharisäer.
Pharisäer?
Ist Kaffee mit Rum und Sahnehäubchen und Zucker. Die Geschichte dazu: Es gab eine Taufe auf der Insel Nordstrand und der Pastor der Gemeinde war extrem gegen Alkohol. Die Familie hat nach der kirchlichen Taufe zu Hause weitergefeiert. Den Pastor mussten sie natürlich auch einladen. So haben sie in der Küche schon den Kaffee eingeschenkt und bei allen Leuten den Rum rein, nur beim Pastor nicht. Damit das Aroma nicht so nach Außen dringt, das Sahnehäubchen oben drauf. Die Leute wurden immer lustiger und der Pastor dachte sich: Was habe ich doch für eine heitere Gemeinde! Irgendwann waren alle so betrunken, dass sie die Tassen vertauscht haben. Und plötzlich hat der Pastor aus einer Tasse mit Rum getrunken. Entsetzt sprang er auf und rief: ihr Pharisäer!
Gleich noch einer?
Yea.
Jihad.
Jihad?
Ich interessier‘ mich für deine Partykultur. Hast Du schon was von der Berliner Partykultur gehört, bevor du nach Berlin bist?
Ich wusste, dass sich Techno in Deutschland in Berlin und Frankfurt entwickelt hat und…
Was ist Frankfurt?
Hä?
Ok, streichen wir mal Frankfurt.
Also, dass sich in Berlin aus Acid Techno entwickelt hat… Es gab ja schon damals viele DJs, die aus Berlin kamen, und ich wusste das.
Wie ging‘s weiter in deiner beruflichen Laufbahn?
Naja, nach dem Referendariat wollte ich was anderes machen. Eine Freundin hat mir dann ein Praktikum vermittelt bei Berlin Partner GmbH Hauptstadtmarketing.Über ein weiteres Projekt habe ich Ralf Regitz kennengelernt, den Veranstalter der Loveparade. Und so dann halt auch die ganzen anderen Leute von der Loveparade. Und eine war schwanger und meinte: Hast du nicht Lust meine Schwangerschaftsvertretung bei der Parade zu machen?
Wann war denn deine erste Parade?
2000. Ich hab gleich als erstes zu den Leuten gesagt: ich war noch nie auf einer Loveparade. Ich war zuständig für die gesamte Kommunikation mit den Behörden, das war ja damals noch eine Demo. Wusste ja aus dem Lehrerberuf, wie die Behörden ticken. Meine ehemalige Kollegin, für die ich Schwangerschaftsvertretung gemacht habe, ist dann auch nicht mehr zurückgekommen; sie hat noch mehr Kinder bekommen. Der Job hat mir gefallen, habe intern gewechselt und konnte so ganzjährig dort bleiben. Ich habe das internationale Netzwerk mit aufgebaut, also die internationalen Loveparaden. Kapstadt war cool. Die haben die Parade im Dezember veranstaltet, es liegt ja auf der Südhalbkugel wie auch Santiago de Chile. In Kapstadt war es voll heiß und überall war Weihnachtsdeko und Jinglebells kam aus den Lautsprechern. Der Dress- Code war sozusagen Bikini und Weihnachtsmütze. Santiago de Chile war schwierig. Wenn so eine offizielle Parade stattfinden soll, mitten in der Stadt, dann braucht man auch immer Rückhalt aus der Politik. In Chile war‘s eben ziemlich politisch. Da ging das Ganze so Richtung Demokratisierung. In Tel Aviv ist die Parade Ausdruck für Friedensbewegung und in Kapstadt war man es nicht gewohnt, dass es eine Party gibt, umsonst und draußen, an der jeder, ungeachtet seiner Herkunft, teilnehmen kann. Es ist überall etwas Besonderes.
Gab‘s krasse Katastrophenphasen?
Klar, immer wieder, z.B. 2001, wo wir die Parade als Demo angemeldet haben, wie sonst auch immer, und dann vom Senat für Inneres mitgeteilt wurde, es hätte sich schon eine andere Demo für den selben Tag am selben Ort angemeldet und somit könne die Loveparade nicht stattfinden. Das Ganze lief dann darauf hinaus, dass alle Technoparaden in Deutschland nicht mehr als Demonstration anerkannt wurden.
Yalla
Yalla.
Deine erste Beziehung?
Wolfgang aus Husum. Viele Grüße an dieser Stelle.
Gibts Insider-Stories von der Parade, die lustig sind?
Ein DJ war nach seinem Set sehr fertig, es war extrem heiß und er auch nicht der Schlankste. Er hat sich ausgeruht im Tunnel unter der Siegessäule. Soo… du gehst also unten in den Tunnel und plötzlich ist es kühl und still. Und da saß dieser DJ und hatte sich ausgeruht; er wollte gar nicht mehr raus. Ich kam vorbei in meinem Crew-Shirt, und er sagte, er wolle jetzt sofort abgeholt werden. Ich habe ihm also den Weg raus zum Shuttle beschrieben, aber er meinte, „Nee, du hast mich falsch verstanden, ich will von hier direkt abgeholt werden und gleich ins Hotel, ich beweg mich keinen Schritt mehr!“. Ich dann: „Wie soll das denn gehen? Du musst schon ein paar Schritte laufen“ Er: „Ja, mit ‚nem Hubschrauber“. Also, er meinte das komplett ernst und hat gedacht, dass ich mal eben über Funk einen Hubschrauber rufe, der über der Siegessäule kreist und ihn aus dem Getümmel rausholt. Achtung, Achtung, Hubschrauber. Hubschrauber Drei. Oder ein polnisches Wagenprojekt, denen sie an der Grenze mal eben die Anlage abgenommen hatten…
Was hast Du eigentlich nach der Parade gemacht?
Meine letzte Loveparade war 2006, danach hab ich im Management-Team bei Paul van Dyk angefangen. Ehrlich gesagt, war ich danach auch nie wieder auf einer Loveparade, so hatte es ja auch angefangen…
Interview Richard Kirschstein
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Richard Kirschstein
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