Six More Vodka find ich ziemlich gut. Ich dachte mir, ob wir dann nicht einfach mit six straight shots anfangen sollten?
Das können wir machen. Daher kommt der Name ja.
Wann hast du das zuletzt gemacht?
In meiner harten Zeit, als ich 2004 in Amsterdam die letzte Runde bestellte und dabei meine drei besten Freunde kennengelernt habe.
Wir sind zu dritt, das macht 18 Shots.
Das wird fies.
(Georg) Ja, das macht mich kaputt. Jetzt ist es irgendwie echt zu spät, Alter.
Cheers, auf den ersten.
Auf den zweiten.
Auf den Weltfrieden. (Georg) Gott stehe mir bei.
Cheers.
Wo sind wir?
Beim vierten.
(Georg) Peace.
Der Vorletzte. Kaltes, klares Wasser da- nach.
(Georg) Was’n hier los? Besoffen in dem Universum des Comicuniver- sums.
Sorry, aber mit dem Namen schone ich weder dich noch mich.
(Georg) Der geht aber ganz angenehm runter, ‘ne?! Sehr lecker.
So, dann Prost.
Cheers. Den Geschmack abtöten.
Bist du eigentlich eitel?
Ob ich eitel bin?
Ja, weil das ist jetzt so ein Schuppen, wo ganz groß dein Name dran steht. Du hast die Haare so zurecht gemacht und so.
Nee, mit Eitelkeit hat das nichts zu tun. Ich verkauf mich ja hier nicht. Ich ver- kauf ja anderer Leute Kunst. Six More Vodka, das bin ja nicht ich. Six More Vodka ist ja der gesamte Laden hier. Der Galeriebereich vorne. Der Storebereich ganz vorne. Der Studiobereich wo Antje, meine Frau, und ich arbeiten. Wenn ich eitel wäre hätte der Laden Djurdjevic geheißen und bestimmt nicht Six More Vodka. Das war immer eine konzeptionelle Idee, einen Ort zu schaffen in dem man kreative Leute zusammenbringen kann.
Wie arbeitest Du denn? Noch klas- sisch mit Tusche und Bleistift?
Wenn ich Interior Art Work mache geht’s um Zeichnungen. Dann gibt’s den Inker, der über mich drüber zeichnet, aber das hat mir nicht gefallen und deshalb haben wir’s dann auch gelassen für die Zukunft. Ein Großteil von meiner Coverart entsteht halt wirklich zuerst mit dem Bleistift, wird dann eingescannt und dann am Computer nachgemalt.
(Georg) Du machst das alles? Auch die Farben und so?
Ja, ganau. Die alten Hasen arbeiten immer noch wie vor 20 Jahren. Die haben sich noch nicht mal daran gewöhnt, dass es so etwas wie einen Scanner gibt, bei dem sie die Sachen einfach mal einscannen und über’s Internet schicken können. Wir haben lange keinen mehr getrunken.Die erste Runde und die Flasche ist leer.
(Georg) Cheers.
Cheers.
Gibt’s deshalb mehr von deinen Bildern? Das muss ja einen Vorteil haben.
Ja, wenn ich das traditionell gemacht hätte, hätte ich nicht einmal die Hälfte der tausend Grafiken, die ich hatte. Das hat ja von Anfang an dafür gesorgt, dass ich mich so stark auf dem Markt etablieren konnte. Ich hab mehr Cover gemalt als jeder andere.
Also ist Quantität ein Vorteil?
Ja, du musst doch mal überlegen. Du kannst die besten Bilder der Welt malen, aber wenn Du nur einmal im Monat unter 100 Comics auftauchst, dann merkt das doch keine Sau. Ich hab halt von Anfang an 10% des Marktes abgedeckt. Also Marvel hat irgendwie ge- sehn, der produziert wie ein Idiot. Lass den mal wirklich auf jedes Cover setzen, was wir als Verkaufsträger brauchen und plötzlich war ich überall und das hat sich bei den Leuten eingefräst.
Wer ist dein Lieblingsheld?
Hab ich nicht. Ich mach das, weil es Geld bringt. Ich hab ja Comics nur in einer ganz kurzen Zeit in meinem Leben gelesen. Das war so von 13 bis 15 und dann hat sich das schnell verflüchtigt.
Und wie kommst du beim Zeichnen auf den richtigen Vibe?
Relativ einfach. Du…
Erst einmal Cheers, oder?
Cheers. Es ist ja gar keine Frage, ich hab auch ein Leben neben der Kunst. Das ist das Wichtigste, sich selber jeden Tag zu formieren und zu gucken, was ich heute falsch gemacht habe, wen ich verletzt oder vernachlässigt habe. Wie ich daraus das Beste in meinem Leben stricken kann und am Ende des Tages ins Bett falle und mich gut fühle. Weißt du, es ist so lustig, in diesem Comicalltag wird man immer in so ein Klischee gepresst, als ob man nur aus seiner Arbeit besteht. Dabei sind das nur 5 Prozent meines Lebens. Ich habe so viele Fehler, so viele Macken an mir, so viele Ideen, so viele Lüste, so viele Sachen, die ich gemacht habe, die nichts mit meiner Arbeit als Comiczeichner zu tun haben. Weisste, das sind so Sachen, die mich bewegen. Die Arbeit ist halt da und die läuft gut und die hat mir ein gutes Leben ermöglicht, aber das war auch nicht immer leicht.
Okay, dann gehen wir davon weg. Was bewegt dich denn?
Dass am 19. Dezember 2009 das erste Mal seit 20 Jahren die Visabeschränkung für serbische Staatsangehörige aufgehoben wurde. Bis zum 19. Dezember konnten serbische Staatsangehörige für 20 Jahre einfach mal nicht reisen. Das heißt, die waren Menschen zweiter Klasse, oder besser gesagt, dritter. Es gibt kaum eine Möglichkeit jemanden aus einem Dritte-Welt-Land nach Deutschland zu bringen, wenn du nicht ein Mindestmaß an Monatsgehalt mitbringst. Du mußt mindestens 12.000 Euro auf deinem Konto haben, plus einem Monatsgehalt von mindestens 2.500 Euro, um überhaupt den Antrag stellen zu dürfen, jemanden aus einem Dritte-Welt-Land als Gast einzuladen.
Redest du aus Erfahrung?
Ich rede aus Erfahrung, weil ich vor drei Jahren meine serbische Frau geheiratet habe. Weil ich, um sie heiraten zu dürfen, eine Wohnung in Berlin brauchte, die groß genug ist, um von der deutschen Botschaft in Belgrad akzeptiert zu werden und somit nicht der Scheinehe dient. Ich habe mich jeden Tag mit dem Typ an der Tür der deutschen Botschaft gestritten, dass ich mit dem Botschafter reden will. Es ist das Bizarre, diese Lebenslügen, die wir hier leben, die mir immer wieder aufzeigen, dass Ungerechtigkeiten zwischen Völkern, Ungerechtigkeiten zwischen Nationen und vor allem Namen in den Reisepässen das Eigentlich sind, was uns auseinander treibt und uns nicht einheitlich macht. Wir sind keine Menschen, wir sind klassifizierte Charaktere, die irgendwie… Weisste, die einen sind gut, die anderen sind böse, die einen gehören dazu – die einen stinken, die anderen nicht.
Also für mich gibt’s die ganze Zeit Unterschiede. Der eine ist blond, die andere dunkelblond, der ist braun und ich finde…
Wenn du das schon sagen kannst, dann erklär mal bitte den Unterschied zwischen uns beiden, außer dass wir hier sitzen, Wodka trinken und ich rauche und du nicht. Der Unterschied existiert nicht.
Na, wir haben einen ganz anderen Background.
Was denn?
Naja, du hast einen serbischen Background. Ich nicht.
Ich bin aber in Deutschland geboren.
Was ja nichts ausmacht.
(Georg) Er ist aber aufgewachsen wie du und ich.
Nee, ist er überhaupt nicht. Er hat sich viel mehr berührt gefühlt durch den Krieg in Jugoslawien als ich.
Ey, du willst mir doch hier nicht sagen, dass du dich weniger von einem Krieg in deinem Nachbarland berührt fühltest als ich.
Aber ich hoffe doch! Denn du hast da drüben deine Familie. Du musstest vielleicht an einen Großonkel oder so denken, ich nicht. Wir machen das mal anders. Ich rede mehr von mir und weniger von dir: Ich bin Jude, fühle mich null als Israeli, fühle mich als Berliner, aber irgendwie null als Deutscher. Beim ersten Irakkrieg saßen wir natürlich trotzdem jeden morgen ab fünf Uhr vor dem Fernseher und haben uns die Nachrichten reingezogen. Das hab ich bei dem Krieg in Jugoslawien nicht gemacht.
Warum?
Na, weil er uns eben nicht so sehr berührt hat. Ich glaube, dass das nicht einmal verkehrt ist, dass es bestimmte Sachen gibt, die dich ganz besonders berühren. Ich sag ja nicht, dass mich der Balkankrieg kalt gelassen hätte.
Darin ist doch die Farce begründet. Ich erinnere mich an den ersten Liebesbrief meiner Frau als sie…
Moment. Trinken wir erst einmal einen? Ich find das ja gerade sehr spannend und Wodka dazu immer ganz gut. Cheers.
Cheers.
Gibt es in dir zwei Personen?
Klar, es gibt den Präsentierer, den Typen, der alles auf dem Silbertablett serviert und es gibt den, der nachdenklich ist.
Der den Krieg kennt, der Freundschaft kennt.
(Georg) Der Liebe kennt.
…der Liebe kennt. Mich wunderts, warum du keinen Ring an der Hand trägst.
Weil ich zu fett geworden bin. Ich hab 20 Kilo zugenommen.
Hahaha! Okay, können wir darauf noch kurz ‘nen Wodka trinken? Wir haben noch eine Flasche, oder?
Ja, ja. Auch zwei.
Cheers.
(Georg) Cheers.
Cheers.
Ich leg mal die Karten offen. Ich mag Interviews, in denen ich direkt sage worum es mir geht. Ich merke, du hast echt eine brennende Energie. Vorhin dachte ich, du würdest dich selbst inszenieren, was in Ordnung ist. Ich finde es gar nicht mal so schlimm und merke, dass diese Selbstinszenierung eine Sache ist mit der du dein Geld verdienst. Und damit möchtest du dann Sachen bewegen, die bewegend sind. Neulich habe ich den Claim einer Hilfsorganisation gelesen, der „Mit Zorn und Zärtlichkeit“ lautet. Ich habe lange drüber nachgedacht, warum die „Mit Zorn“ sagen.
Klar, weil Wut befreiend ist, Alter. Wut ist das Beste.
Bist du wütend?
Ja, ich bin wütend auf die Welt. Ich bin wütend. Wenn du vor mir stehst und mich ansiehst, was weißt du von den Schmerzen, die in mir sind?
Ich glaube, ich verstehe durch dich zum ersten Mal, was dieses „Mit Zorn und Zärtlichkeit“ heißt. Es fällt mir sehr schwer an dich heranzukommen.
Du, ich bin so offen. Ich bin ein Glashaus. Du kannst einbrechen, wie du willst. Ich bin überhaupt nicht distanziert. Ich bin nicht so ein Eisklotz.
Nee, nicht Eisklotz…
…ich kann dir alles erzählen. Ich kann dir alles sagen. Aber ich weiß nicht wo du hin willst.
Ich will eigentlich nachforschen, wo deine Energie herkommt. Deine Motivation. Ich will sehen wo die Comics herkommen und warum du dir den Shit hier leisten kannst.
Wut ist so ein geiler Faktor, in Allem. Du machst so geile Sachen, wenn du wütend bist.
Stehst du auf Wut?
Ist eine große Energie. Ich kenne die Kraft. Mein Vater hat mich wütend gemacht.
Warte mal, davor einen Wodka.
Cheers, die Geschichte ist nach dem Wodka so wahr wie vorher.
Also, dein Vater?
Mein Vater ist eine Wurst. Der sieht aus wie Mariah Carey. Mein Vater war ein unbeherrschter Mensch. Jemand, der jedem etwas bedeuten wollte und je weniger er den Menschen bedeutet hat, desto mehr hat er die Menschen um sich herum gehasst. Umso weniger hat er versucht Gewalt in Liebe umzuwandeln. Desto mehr hat er versucht Menschen gehörig zu machen. Mein Vater war die erste Gottgestalt die ich kannte.
Mit Ehrfurcht?
Ja, er war der erste, dem ich massiv auf die Fresse gehauen habe. Aber so massiv, wie ich eigentlich keinen zerstört habe. Ich hab ihm das Nasenbein gebrochen und die Rippen.
Und danach?
Und plötzlich war ich da, wo ich immer hin wollte. San Francisco, Leben, mit Kunst Geld verdienen. Keine Sorgen mehr haben. Und da bin ich jetzt. Jetzt mache ich Leute glücklich.
Oder nachdenklich?
Ich will niemand zumuten mein Gedankengut aufzunehmen.
Sollte ich dich noch irgendwas über das Atelier fragen?
Ach, scheiß doch auf das scheiß Atelier.
Interview Miron Tenenberg
Interviewassistent Georg Bütow
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“DRAW OR DIE” MADE SYMPOSIUM JUNE 17th-20th 2010 from SIXMOREVODKA on Vimeo.
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Miron Tenenberg
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